Politik

Bundestag berät Giga-HaushaltKlingbeil verteidigt 180 Milliarden Schulden als "Warm-up"

25.11.2025, 14:15 Uhr a6d1097d-155c-4edc-b000-7806375dfbdb~1Sebastian Huld
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Lars Klingbeil findet den Fokus auf die Neuverschuldung zu einseitig und betont die Investitionen. (Foto: picture alliance/dpa)

Die Marathonsitzung des Deutschen Bundestags hat begonnen. Vier Tage lang beraten die Abgeordneten final den Haushalt für das kommende Jahr. Doch am Stolz von Finanzminister Klingbeil lässt die Opposition kaum ein gutes Haar.

Richtung Jahresende geht es Schlag auf Schlag im Bundestag, wobei die letzte Novemberwoche ganz im Zeichen des Bundeshaushalts für das kommende Jahr steht. Mit der Verabschiedung der Etatpläne für das Bundespräsidialamt, den Bundestag selbst und das Bundesfinanzministerium begann am Dienstag die vollgepackte Haushaltswoche, die mit der Abstimmung über den Gesamtetat 2026 am Freitag ihren Höhepunkt findet. Den vielen kritischen Wortmeldungen zum Trotz betonte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil seinen Stolz auf das rund 3500 Seiten dicke Werk. "Zwei Haushalte in sechs Monaten auf den Weg zu bringen, das ist keine Selbstverständlichkeit", so der SPD-Vorsitzende. Selbstverständlich ist an diesem Etat tatsächlich wenig, wie die Debatte zeigte.

524 Milliarden Euro will der Bund ausgeben und hierfür insgesamt 180 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufnehmen. Sowohl das Gesamtvolumen als auch die Kredithöhe stellen jeweils den zweithöchsten Wert der bundesdeutschen Geschichte dar. Faktisch handelt es sich sogar um einen Rekord: Den Rekordkreditrahmen des Jahres 2021 zur Bekämpfung der pandemiebedingten Wirtschaftskrise hatte die Ampelkoalition in den Folgejahren auf Geheiß des Bundesverfassungsgerichts nicht ausschöpfen dürfen. Das Urteil war ein maßgeblicher Sargnagel für die Regierung Scholz.

Schwarz-Rot dagegen verfügt nach der Grundgesetzänderung vom März über ganz neue Möglichkeiten. 83 Milliarden Euro Ausgaben für Verteidigung sind allein deshalb möglich, weil die Landessicherheit weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen wurde. Hinzu kommen über einen Zeitraum von zwölf Jahren jährlich 40 Milliarden Euro für Investitionen aus dem Sonderkredit Infrastruktur, neudeutsch Sondervermögen genannt.

Opposition zerpflückt Haushalt

Klingbeil war die Kommentierung seines Haushalts erkennbar zu negativ: "Auch wenn hier immer wieder von zusätzlichen Schulden geredet wird: Es sind erst einmal Investitionen in die Zukunftsfähigkeit und die Modernisierung unseres Landes", sagte der Finanzminister. Ein Großteil der Debatte drehte sich um den Streit, wie viel des geliehenen Geldes in zusätzliche Investitionen fließt und wie viel in das, was die Opposition "Wahlgeschenke" nennt.

"Wir investieren erneut knapp 120 Milliarden Euro in die Zukunft unseres Landes", lobte SPD-Haushälter Thorsten Rudolph und verwies darauf, dass auch aus dem Kernhaushalt mit 50 Milliarden Euro mehr als 10 Prozent der Ausgaben in Investitionen flössen. Das hatten die Grünen zu einer Bedingung für ihre Zustimmung zur Grundgesetzänderung erhoben und fühlen sich im Nachhinein getäuscht, weil sie allerlei "Verschiebebahnhöfe" ausgemacht haben wollen.

Der Grünen-Abgeordnete Sebastian Schäfer sprach von einer "verpassten Chance", weil der Haushalt "Maßnahmen priorisiert, die nichts fürs Wachstum bringen". Auch die Linke kritisierte, dass das viele Geld weder zu Wirtschaftswachstum führe noch die Gering- und Normalverdiener entlaste, während Milliardensummen an die Rüstungsindustrie gehen.

Besonders beeindruckt von den verhandelten Zahlen zeigte sich in der Debatte die AfD: "Mit dem Bundeshaushalt 2026 hinterlassen Friedrich Merz und Lars Klingbeil Deutschland als fiskalpolitisches Trümmerfeld, das für die nächsten Jahre fest in einer gigantischen Schuldenspirale stecken wird, aus dem es kein Entkommen mehr geben wird", sagte Michael Espendiller. In gewohnt apokalyptischer Manier konstatierte der AfD-Haushälter den Untergang des AAA-Abendlandes -AAA ist der Bestwert im Kreditrating für Staatsanleihen, den die Bundesrepublik zuverlässig erhält.

Wo bleibt der Aufschwung?

66,5 Milliarden Euro, die Deutschland laut Espendiller im Jahr 2029 allein an Zinsen zahlen wird, sind in der Tat eine Hausnummer. Das Kalkül, dass der Bund auch künftig seine Aufgaben erfüllen und zugleich die neuen Schulden bedienen kann, basiert auf der Annahme zusätzlich angestoßenen Wirtschaftswachstums. Schon für 2027 fehlen in Klingbeils Planung rund 30 Milliarden Euro, in den beiden Folgejahren noch einmal 64 beziehungsweise 74 Milliarden. Im neuen Jahr, wenn es um diese Haushalte geht, wird es also wirklich ernst für Klingbeil und die Koalition. Das sieht der Bundesfinanzminister nicht anders.

"Der Haushalt '25 und der Haushalt '26, das war für uns als Parlament ein Stück weit das Warm-up", sagte Klingbeil, auch mit Blick auf den Mitte September verabschiedeten Etat für das laufende Jahr. "Die großen Herausforderungen kommen mit den Haushalten '27 und '28." In Warm-up-Runden werden im Motorsport die Reifen und die Bremsen auf Temperatur gebracht, bevor das eigentliche Rennen startet. Um im Bild zu bleiben: Die bisherigen Klingbeil-Haushalte sollen die kritischen Etats ermöglichen und zwar, indem sie Wirtschaftswachstum befördern, das dem Land seit bald drei Jahren abgeht.

Just am Dienstag wurde publik, dass die Wirtschaft auch im dritten Quartal stagnierte. Selbst das prognostizierte Minimalwachstum von 0,2 Prozent für das Gesamtjahr wackelt. Ökonomen zweifeln auch die 1,3 Prozent an, mit denen die Bundesregierung für 2026 rechnet. Laut dem Chefökonom von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche gehen 0,7 Prozent erwarteten Wachstums auf die staatlich angeschobene Binnennachfrage für Infrastruktur und Rüstung zurück. Eine nachhaltige und kräftige Erholung der deutschen Wirtschaft ist nicht in Sicht, während die globalen Rahmenbedingungen mit wackelig noch optimistisch umschrieben sind.

Rentenstreit geht weiter

Linken-Haushälter Dietmar Bartsch fragte in Richtung des nicht anwesenden Bundeskanzlers: "Im Sommer sollten die Menschen spüren, dass es aufwärts geht, jetzt haben wir Dezember. Welchen Sommer hat er eigentlich gemeint?" Merz wird diese Frage am Mittwoch im Rahmen der Generaldebatte beantworten können, wenn er denn will.

Vielleicht äußert sich der Bundeskanzler dann auch zum weiter schwelenden Streit um das Rentenpaket, dem die Gruppe der jungen Unionsabgeordneten nicht zustimmen will - auch wegen der ausufernden Zuschüsse aus dem ohnehin überspannten Bundeshaushalt. Eine Lösung, wie Union und SPD dennoch ihr Gesamtpaket aus mehreren Rentenmaßnahmen durch den Bundestag bekommen, zeichnet sich aktuell nicht ab, obwohl die Gesetze noch im Dezember das Parlament passieren sollen - und zwar en bloc.

Klingbeil sprach das Thema in seiner Eigenschaft als SPD-Chef und Vizekanzler an: Er erinnerte einmal an die im Rentenpaket enthaltene "Frühstartrente", die die private Altersvorsorge befördern soll. Und er beteuerte den Reformwillen der SPD, an dem die Junge Union so heftig zweifelt: "Wir werden uns auch die sozialen Sicherungssysteme angucken und natürlich muss da reformiert werden", sagte er und schob zur Sicherheit hinterher: "Natürlich brauchen wir Strukturreformen". Klingbeils Warm-up-Runde endet ja erst mit der 3. Lesung seines Haushalts am Freitag. Langjährige Formel-1-Zuschauer haben bei RTL erfahren: Sogar Weltmeister versemmeln Aufwärmrunden und enden noch vor Rennstart im Kiesbett.

Quelle: ntv.de

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