Die Zeit läuft im RentenstreitSöder wechselt ins Team Junge Union
Volker Petersen
Seit Donald Trump einen 28-Punkte-Plan für Frieden in der Ukraine präsentierte, ist der Rentenstreit innerhalb der Union in den Hintergrund gerückt. Doch noch ist gar nichts gelöst. Markus Söder springt nun der JU bei - und Donnerstag ist Koalitionsausschuss.
Friedrich Merz musste in den vergangenen Tagen mal wieder kurz die Welt retten - auf dem G20-Gipfel in Südafrika verhandelte er nebenbei über den vermeintlichen Friedensplan für die Ukraine, mit offenem Ausgang. So düster die Aussichten in dieser Frage auch sein mögen, für den Bundeskanzler waren sie eine Auszeit vom Rentenstreit daheim. Eine Möglichkeit zu glänzen, die sich in der Auseinandersetzung mit der Jungen Union (JU) und der SPD kaum bietet.
Markus Söder ergriff sie trotzdem. In der ARD trat der CSU-Chef als Vermittler auf, mit einer klaren Botschaft: Alle Seiten müssen sich bewegen, auch die SPD. Ähnliches hatte er schon auf dem Deutschlandtag der JU angedeutet, der am vorvergangenen Wochenende im Europapark Rust stattfand. Schon am Samstag sagte er auf einer CSU-Vorstandsklausur in München, die Junge Union müsse etwas Substantielles bekommen, nicht nur "Placebos" wie einen Sitz in der geplanten Rentenkommission.
Musik in den Ohren der Jungen Union und ein ganz anderer Sound als alles, was von Merz zu hören ist. Der zeigte sich im Interview mit ntv zuversichtlich, dass es eine Lösung im Streit geben würde. Seine Strategie scheint aber eher dem Grundgedanken zu folgen: "Ich mache die Ansagen und Ihr folgt bitteschön." Versucht Söder seinem alten Rivalen Merz in die Parade zu fahren? Oder hat er nur verstanden, dass die Debatte nicht ohne Zugeständnisse aufzulösen sein wird?
Deutliches Signal an die Junge Union
In diesem Fall vermutlich Letzteres. Ein Gespür für Stimmungen hat Söder, was ihm den zweifelhaften Ruf einbrachte, seine Standpunkte entsprechend schnell zu wechseln. Schon in der Debatte um die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf ans Bundesverfassungsgericht erkannte Söder die Stimmungslage in der Union. Auf ihrer Kandidatur "liegt kein Segen" sagte er, als sich abzeichnete, dass CDU und CSU sie wirklich nicht wählen würden, egal wie sehr Fraktionschef Jens Spahn darum gebeten hätte. Ist die Fraktion jetzt wieder an diesem Punkt?
Spahn jedenfalls klang am Montagnachmittag vor der Sitzung der Unionsfraktion ähnlich. So verbat er sich "Basta"-Worte von der SPD und stellte ein "Rentenpaket 2" für die kommenden Monate in Aussicht. Auf die Frage, nach einer Änderung des Renteneintrittsalters, sagte Spahn, dies sei immer Teil der Rentengespräche, weil beides "sachlogisch miteinander verbunden" sei.
Da hatte Söder schon deutliche Signale in Richtung Junge Union gesandt: Ihr müsst nicht gleich die Segel streichen. Das ist bemerkenswert, denn der bayerische Ministerpräsident will dieses Rentenpaket unbedingt. Teil davon ist auch die Ausweitung der Mütterrente, die die CSU seit Jahren fordert. Scheitert das gesamte Paket, scheitert auch die Mütterrente. Aber wenn man eine Bewegung nicht stoppen kann, so kann man sich immer noch an ihre Spitze setzen. Folglich schießt Söder den Ball ins Feld der SPD. Denn die ist es, die sich nicht bewegen will. Sie pocht ganz konservativ darauf, dass der vereinbarte Gesetzentwurf nun auch im Bundestag angenommen wird.
Die Junge Union kann darauf hoffen, dass ihr die öffentliche Meinung zu Hilfe kommt. Sie hat schon jetzt eine breite Debatte über die Rente und die Rentenpläne der Bundesregierung in Gang gebracht - die es während der Koalitionsverhandlungen nicht gab. Jetzt bekommt sie in der Sache eindrucksvollen Beistand. 22 Ökonomen haben im "Handelsblatt" gefordert, das gesamte Rentenpaket abzusagen.
Dagegen wirkt die Junge Union fast schon bescheiden. Denn sie ist bereit, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent festzuschreiben. Sie will aber, dass es danach sofort wieder auf 47 Prozent absinkt. Das klingt nach wenig, macht aber Mehrkosten von bis zu 120 Milliarden Euro aus. Dass auch die Mütterrente sehr teuer ist, ist die Junge Union offenbar gewillt, unter nur leisem Protest hinzunehmen.
Koalitionsausschuss am Donnerstag
Welche Sichtweise setzt sich durch? Die der Jungen Union wäre: Die Union trägt eine Riesendummheit nur für den Koalitionsfrieden mit. Die SPD sieht das natürlich anders. Zumindest ist es für sie logisch, dass das Rentenniveau von dem Punkt sinkt, bis zu dem man es festgeschrieben hat. Außerdem argumentiert sie damit, dass das Rentenniveau in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ohnehin schon stark gesunken sei. Aber dringt sie damit durch? Zumal es tatsächlich nur um die Frage geht, wie schnell die Renten steigen. Sinkende Renten will auch die Junge Union nicht.
Dem "Spiegel" gegenüber machte JU-Chef Johannes Winkel am Wochenende deutlich, dass er nicht nachzugeben gedenkt. "Es kann nicht angeordnet werden, dass ein Gesetzentwurf der Ministerin ohne Diskussion einfach so beschlossen wird", sagte er.
Merz' Beteuerung, es komme ja noch eine große Reform, die sowieso alles ändere, kann Winkel noch immer nicht folgen. Er möchte nicht erst ein Rentenpaket beschließen, das kurz darauf durch einen neuen großen Rentenwurf schon wieder überholt wäre. "Es ist nicht überzeugend, sich unverbindlich zu entschließen, in Zukunft das Gegenteil von dem zu tun, was man im gleichen Atemzug verbindlich beschlossen hat", sagte er der "Rheinischen Post".
Merz und Söder sind sich zumindest einig darin, das Rentenpaket noch in diesem Jahr zu beschließen. Dafür bleiben noch die kommende Woche und die Woche vor Weihnachten. An diesem Donnerstag treffen die Spitzen der Koalition zum Koalitionsausschuss. Gibt es dann keine Einigung, wird es richtig eng.