Teurer Weg zur Arbeit Koalition sucht Einfall
28.06.2008, 16:36 UhrAngesichts ständig neuer Rekordpreise an den Zapfsäulen gibt es in der großen Koalition Überlegungen für eine Wiederbelebung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer. Außer von der CSU, die die Pendlerpauschale zu einem Thema des bayerischen Landtagswahlkampfes gemacht hat, gibt es auch in der CDU und der SPD Forderungen nach der Rückkehr zur alten Regelung. "Wir müssen uns da etwas einfallen lassen", sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck der "Welt am Sonntag", ohne allerdings Details zu nennen. Es dürfe aber keine Lösung geben, die wie früher "nur diejenigen begünstigt, die steuerlich am meisten absetzen können". Für andere Vorschläge sei er "offen". Dabei müsse aber im Blick bleiben, "wie sehr sie den Staatshaushalt belasten würden", sagte Struck. Man müsse abwarten, wie das Bundesverfassungsgericht in Sachen Pendlerpauschale entscheide, sagte Struck. "Dann müssen wir sehen, ob und wie wir in der Koalition zu einer Lösung kommen."
Beck: "Wir arbeiten"
Der SPD-Fraktionschef reagierte damit offenbar auf Druck aus seiner Partei. Angesichts der hohen Benzinpreise hatte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zuvor eine gezielte Entlastung für Geringverdiener gefordert. Der niedersächsische SPD-Vorsitzende Garrelt Duin hat bereits eine bundesweite Initiative in seiner Partei gestartet, um Arbeitnehmern zum 1. Januar 2009 wieder zu einer stärkeren Entlastung bei den Fahrtkosten zu verhelfen. Auch Parteichef Kurt Beck hatte vor wenigen Tagen gesagt: "Wir arbeiten an unterschiedlichen Modellen, müssen aber abwarten, was das Bundesverfassungsgericht sagt - dann werden wir handeln".
Merkel will nicht
Vor allem aus Reihen der CSU wird eine Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale gefordert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dies bisher mehrmals abgelehnt. Erst am Freitag hatte Vizeregierungssprecher Thomas Steg - trotz anderslautender Äußerungen aus dem Wirtschaftsministerium - erneut klar gemacht, dass es zur Pendlerpauschale keine neue Haltung der Bundesregierung gibt.
oder doch irgendwann?
Allerdings berichtete der "Weser-Kurier" unter Berufung auf mehrere Kabinettsmitglieder, die Bundesregierung stelle sich auf eine Rückkehr zur Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer in reduzierter Form ein. Im Gespräch seien maximal 25 Cent. Das Einsparvolumen von 2,5 Milliarden Euro, das die große Koalition bei der umstrittenen Neuregelung vereinbart hatte, solle auf jeden Fall eingehalten werden. So hatte es auch Wirtschaftsstaatssekretär Hartmut Schauerte (CDU) angekündigt.
Alles wartet auf Karlsruhe
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) machte im "Tagesspiegel am Sonntag" deutlich, dass erst nach dem Karlsruher Urteil geprüft werde, wie die Koalition reagieren müsse. Er lehnt es kategorisch ab, den Bürgern die stark gestiegenen Energiepreise durch direkte Staatshilfen erträglicher zu machen, etwa durch eine niedrigere Mineralölsteuer: "Direkte Energiesubventionen kann der Staat nicht finanzieren. Das geht sofort in Größenordnungen, die unsere Möglichkeiten sprengen." Ein Verzicht auf zehn Cent Steuern pro Liter Treibstoff würde den Staatshaushalt sechs Milliarden Euro kosten.
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) warnte vor voreiligen Versprechungen. Natürlich hätte auch er gerne Erleichterungen für die Pendler, sagte Beust auf dem Landesparteitag der Hamburger CDU. "Nur, wenn wir so anfangen, und wachsende Steuereinnahmen sofort wieder (...) ausschütten, werden wir in Deutschland niemals eine solide Haushaltspolitik hinkriegen."
Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn rechnete vor, eine Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer sei ohne Mehrausgaben möglich, wenn der Satz 15 Cent pro Kilometer für alle Pendler betrage. "Bevor die Pendler unterm Strich mehr Geld bekommen als heute, wie es die CSU will, sollte lieber mehr Geld in den Nahverkehr investiert werden, damit die Menschen eine Alternative zum Auto haben", fügte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der "Süddeutschen Zeitung" hinzu.
Auch die FDP warnte vor einer "Finanzierung auf Pump". "Notwendige Einsparungen an anderer Stelle sind besser als kreditfinanzierte Wahlgeschenke. Kanzlerin und Bundesfinanzminister müssen klarstellen, ob sie sich weiterhin gegen eine Entlastung der Pendler aussprechen", erklärte der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Jürgen Koppelin, in Berlin.
Die große Koalition hatte die Pendlerpauschale weitgehend abgeschafft. Seit Anfang 2007 gelten Fahrtkosten zum Arbeitsplatz nicht mehr als sogenannte Werbungskosten. Die Finanzämter erkennen seitdem nur noch die Kosten ab dem 21. Entfernungskilometer als "Härte" steuermindernd an. Der Bundesfinanzhof bewertete die Regelung im Januar als verfassungswidrig und legte sie dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Das Urteil der Karlsruher Richter wird im Spätherbst erwartet.
Quelle: ntv.de