Politik

Knall in Kiel Krisen-Koalition platzt

Mitten im Super-Wahlsommer scheitert in Kiel die seit langem kränkelnde Große Koalition. Die CDU will das Regierungsbündnis mit der SPD beenden und peilt Neuwahlen parallel zur Bundestagswahl am 27. September an. Die SPD allerdings wehrt sich. Ohne ihre Stimmen aber kann es keine Neuwahlen geben.

Kiel ist seine Große Koalition los.

Kiel ist seine Große Koalition los.

(Foto: dpa)

Seit über zwei Jahren hat sich die Große Koalition in Schleswig-Holstein immer mehr ihrem Ende entgegen manövriert - am Mittwoch scheiterte sie nach mehreren vergeblichen Anläufen der CDU. Das Verhältnis der Koalitionspartner gilt seit langem als zerrüttet. Die CDU wirft dem SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner vor, falsche Aussagen zu machen und nicht zu gemeinsam vereinbarten Sparbeschlüssen zu stehen.

Die Landtagsfraktion beschloss einstimmig auf Vorschlag von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, die Wahlperiode zum 20. Juli vorzeitig zu beenden. Der Landtag soll am 27. September, dem Tag der Bundestagswahl, neu gewählt werden. Der CDU-Antrag auf Auflösung des Parlaments soll am Freitag zur Abstimmung gestellt werden. Die SPD wehrt sich aber, dem zuzustimmen. Wegen der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit kann es ohne ihr Einverständnis keine Neuwahlen geben. Die CDU hat in Kiel 30 Sitze, die SPD 29, die Opposition zusammen zehn. "Die SPD-Fraktion wird geschlossen den Antrag ablehnen", kündigte Stegner am Mittwochabend in Kiel an.

Stegner empfiehlt Carstensen den Rücktritt

Noch nie ein gutes Gespann gewesen: Stegner (l) und Carstensen.

Noch nie ein gutes Gespann gewesen: Stegner (l) und Carstensen.

(Foto: AP)

Stegner ließ keinerlei Bereitschaft erkennen, an dem regulären Termin für die Landtagswahlen am 9. Mai 2010 zu rütteln. "Wenn der Ministerpräsident nicht mehr kann oder will, dann kann er ja zurücktreten, und dann muss man sich damit auseinandersetzen", sagte der SPD-Chef in der ARD.

Ministerpräsident Carstensen kommt zur außerordentlichen Fraktionssitzung im Landeshaus in Kiel.

Ministerpräsident Carstensen kommt zur außerordentlichen Fraktionssitzung im Landeshaus in Kiel.

(Foto: dpa)

Carstensen könnte auch die SPD-Minister entlassen und als CDU-Minderheitsregierung die Amtsgeschäfte weiterführen.

Grüne für Landtagsauflösung, aber gegen Experimente

Dagegen wollen die Grünen die CDU-Pläne zur Auflösung des Landtags unterstützen. "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", hieß es in einer Mitteilung der Landesvorsitzenden Marlies Fritzen und Robert Habeck sowie des Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel. Der Zustand der Großen Koalition sei den Menschen nicht mehr zuzumuten. Man werde dem Antrag zustimmen, stehe für Experimente mit Übergangsregierungen aber nicht zur Verfügung, hieß es. Sollte die SPD sich verweigern, müsse Carstensen die Vertrauensfrage stellen.

Die Regierung aus CDU und SPD in Schleswig-Holstein ist eines von fünf rot-schwarzen Bündnissen auf Länderebene. Kommt es tatsächlich zu Neuwahlen, wäre dies die sechste Landtagswahl 2009. Am 30. August werden im Saarland, in Thüringen und in Sachsen neue Parlamente gewählt, am 27. September in Brandenburg. Im Januar kam es bereits in Hessen zu vorgezogenen Neuwahlen.

Carstensen gab Stegner persönlich die Schuld am endgültigen Scheitern der Zusammenarbeit. Dieser habe sich immer wieder der gemeinsamen Verantwortung entziehen wollen. "Wir haben das heute erlebt, wie haben das die letzten Tage erlebt", sagte der Regierungschef. "Und wenn man das Gefühl hat, dass man keine Verantwortungsgemeinschaft in der Koalition hat, muss man sich überlegen, was zu tun ist." Sollte die SPD dem Antrag nicht zustimmen, bleibe das Land "gelähmt".

SPD verweigert sich

Die Sozialdemokraten traten nach dem CDU-Beschluss zu einer außerordentlichen Fraktionssitzung zusammen. Fraktionsvize Jürgen Weber sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass die SPD dem Ansinnen folgt. Die angegebenen Gründe seien "an den Haaren herbeigezogen". Die CDU wolle unbedingt Neuwahlen.

Bündnis von Anfang an belastet

Zuletzt hatte es Streit um die umstrittene Millionen-Sonderzahlung an den Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, gegeben. Stegner hatte noch am Mittwoch bekräftigt, die SPD habe nicht zugestimmt. Carstensen dagegen betonte mehrfach, es habe kein Nein der SPD gegeben.

Die Atmosphäre in dem 2005 gebildeten Regierungsbündnis ist seit langem gespannt. Besonders auch das schwer belastete Verhältnis zwischen Carstensen und Stegner blockierte eine konstruktive Zusammenarbeit. In der Haushalts- und Energiepolitik sowie weiteren Bereichen lagen beide Seiten weit auseinander. Die Koalition stand schon im September 2007 unmittelbar vor dem Scheitern. Dies wurde damals nur dadurch verhindert, dass Stegner auf Druck der CDU seinen damaligen Posten als Innenminister aufgab. Er wechselte daraufhin auf den Fraktionsvorsitz und löste Lothar Hay ab, der sein Ressort übernahm.

Zeichen für Berlin?

Vize-Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) sieht die Neuwahl-Entscheidung der schleswig-holsteinischen CDU als Zeichen auch für ein Ende der Großen Koalition in Berlin nach der Bundestagswahl. "Das ist auch ein Signal für Berlin", sagte Bosbach dem "Handelsblatt". "Natürlich macht die Neuwahl-Entscheidung deutlich: Eine Große Koalition ist auf Dauer keine Lösung." Bosbach betonte, ihn habe es gewundert, wie lange es die CDU mit Ralf Stegner ausgehalten habe.

Stegner sei "in jeder Hinsicht unberechenbar", sagte Bosbach. "Wenn man mit ihm koaliert, steht man mit beiden Füßen auf der Seife." Mit Blick auf die angestrebten Neuwahlen sagte Bosbach: "Ich glaube, dass die SPD mehr Probleme bekommen wird als die CDU, zumal Peter Harry Carstensen ein sehr beliebter Ministerpräsident ist."

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP/rts

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