Stalin-Plakatkampagne in Moskau Kritik aus dem Kreml
24.03.2010, 14:17 UhrIn Russland wird seit Tagen um die Würdigung von Sowjetdiktator Stalin gestritten. Anlass sind die Feiern zum 65. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland. Es wird befürchtet, dass die zur Moskauer Siegesparade eingeladenen ausländischen Staats- und Regierungschefs aus Protest gegen die Stalin-Plakate absagen könnten.

Ein russischer Stalinist mit einem Stalin-Bild am Geburtstag des Diktators auf dem Roten Platz in Moskau.
(Foto: dpa)
Eine umstrittene Plakatkampagne mit Stalin-Porträts in Moskau zum 65. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg stößt auch im Kreml auf Kritik. Das von Präsident Dmitri Medwedew eingesetzte Organisationskomitee für die Siegesfeiern werde die Stalin-Plakate nicht aufhängen, sagte der Chef des Gremiums, Viktor Chrekow, der Zeitung "Nesawissimaja Gaseta". Gleichwohl könne das Komitee die Plakate aber auch nicht verhindern, weil es keine auf kommunaler Ebene getroffene Entscheidung der Moskauer Stadtverwaltung aufheben könne.
Ein namentlich nicht genanntes Komiteemitglied sagte der Zeitung "Kommersant", die Stadtverwaltung der russischen Hauptstadt solle die ablehnende Haltung des Organisationskomitees als Empfehlung verstehen. Das Moskauer Rathaus wollte sich zunächst nicht zu den Berichten äußern.
Der im Februar bekannt gewordene Plan, den 1953 gestorbenen Diktator Stalin bei der Parade zum Kriegsende mit Porträts und Informationstafeln zu würdigen, hatte in Russland eine heftige Debatte ausgelöst. Während sich Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow hinter das Projekt stellte, übte unter anderen Parlamentspräsident Boris Gryslow Kritik. Gryslow gehört der Partei Einiges Russland von Regierungschef Wladimir Putin an. Die Menschenrechtsorganisation Memorial kündigte bereits eine Gegenkampagne an.
In Kirow im Westen des Landes hängte ein Geschäftsmann ein riesiges Poster mit dem Konterfei Stalins und fünf sowjetischen Generälen aus dem Zweiten Weltkrieg auf. Die Behörden hätten das umstrittene Plakat nach einem Tag entfernen lassen, berichtete die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta". Der Kirower Geschäftsmann hatte nach eigenen Angaben die mündliche Erlaubnis der Stadt, das Plakat anzubringen. Eine Vertreterin der Stadt widersprach jedoch.
In der Region Altai etwa 3000 Kilometer östlich von Moskau kündigte die Kommunistische Partei an, 70 Stalin-Plakate aufzuhängen. Auch in der zweitgrößten russischen Stadt St. Petersburg wollen die Kommunisten auf eigene Faust des Sowjetdiktators gedenken.
Bewertung Stalins umstritten
Die Bewertung Stalins ist in der russischen Öffentlichkeit umstritten. Stalin habe die Sowjetunion als Oberbefehlshaber zum Sieg über den Hitlerfaschismus geführt, argumentieren die Befürworter der Plakataktionen. Hochrangige Politiker widersprechen jedoch. Die Bevölkerung habe den Sieg errungen, Stalin hingegen jede Menge militärischer Fehler gemacht. Historiker und Menschenrechtsorganisationen wie Memorial verweisen auf die millionenfache Ermordung unschuldiger Menschen unter seiner fast drei Jahrzehnte dauernden Herrschaft.
Kremlchef Dmitri Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin hatten den Sowjetterror unter Stalin deutlich verurteilt. Westliche Diplomaten befürchten, dass die zu der Moskauer Siegesparade eingeladenen ausländischen Staats- und Regierungschefs wie Bundeskanzlerin Angela Merkel aus Protest gegen die Stalin-Plakate ihre Teilnahme absagen könnten.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa