2G, Geisterspiele, Impfpflicht Länder dringen auf einheitliche Maßnahmen
02.12.2021, 09:41 Uhr"Keine halben Sachen" - das fordert NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst vom Bund-Länder-Gipfel. Dazu gehören laut ihm einheitliche Regeln bei Großveranstaltungen. Zugleich gesteht er einen Wortbruch beim Thema Impfpflicht ein - und die ist nach wie vor umstritten.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat vor der Bund-Länder-Runde konsequente Entscheidungen im Kampf gegen die dramatisch hohen Corona-Zahlen verlangt. "Wir dürfen heute in der Ministerpräsidentenkonferenz keine halben Sachen machen, sondern müssen die vierte Welle entschlossen brechen", sagte der aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Die Länder brauchen dazu den bewährten Instrumentenkasten der Pandemiebekämpfung." Er sei auch dankbar, dass der designierte Kanzler Olaf Scholz, zugesagt habe, das Infektionsschutzgesetz erneut spürbar nachzubessern. "Das muss jetzt aber auch konsequent geschehen", betonte Wüst.
Wüst sprach sich auch für bundesweit einheitliche Regelungen bei Großveranstaltungen aus. Schon vor den Beratungen gebe es weitgehende Einigkeit darüber, dass es etwa bei Fußballspielen "signifikante Reduktionen der Zuschauer geben muss", sagte er dem ZDF. "Weil es um bundesweite Ligen geht, wäre es auch klug, wenn wir ungefähr die gleichen Ergebnisse haben." Laut Wüst wird über eine Senkung der Zuschauerzahlen um 50, 30 oder 25 Prozent diskutiert. "Ich bin dafür, dass wir das heute möglichst einig machen, damit es bundesweit gleich gilt", betonte er.
Im "ntv Frühstart" gestand Wüst mit Blick auf die veränderte Haltung der Politik zur Impfpflicht eine Art Wortbruch ein. "Es wird genau das am Ende sein. Man kann das Wort nicht halten, was man gegeben hat", sagte er. Die Versprechen seien vor dem Hintergrund gegeben worden, "dass man geglaubt hat, es würden sich alle impfen lassen. Das ist nicht passiert". Wüst befürwortete eine "breite Diskussion" zu dem Thema. Auch eine "Gewissensentscheidung" und eine entsprechende Abstimmung zur Impfpflicht im Deutschen Bundestag seien richtig.
Söder für Impfpflicht ab 12
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will über eine Impfpflicht bei Kindern ab zwölf Jahren sprechen. "Das muss man diskutieren", sagte der CSU-Chef im Bayerischen Rundfunk. "Generell wäre es natürlich gut, wenn die Impfpflicht zumindest bei denen, bei denen der Impfstoff schon erprobt ist - ab zwölf - auch stattfinden würde." Das würde schnell gehen und die Schulen "absolut sicher machen".
Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder hatten sich zusammen mit der amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem designierter Nachfolger Olaf Scholz am Dienstag grundsätzlich über die Verschärfung von Corona-Maßnahmen verständigt. Die Details dieser Regelungen sollen nun auf einem weiteren Bund-Länder-Gipfel beschlossen werden.
Zu den von der Bund-Länder-Runde beratenen Vorschlägen zählt unter anderem die Einführung umfangreicher Kontaktbeschränkungen vor allem für Ungeimpfte auch bei privaten Zusammenkünften, die Ausweitung der 2G-Regeln (also für Geimpfte und Genesene) auf den Einzelhandel und Einschränkungen bei Großveranstaltungen. Für Regionen mit einer hohen Inzidenz zeichnet sich die Schließung von Clubs und Diskotheken ab.
Außerdem soll neben einrichtungsbezogenen Impfpflichten auch eine zeitnahe Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht vorbereitet werden. Bis Weihnachten sollen 30 Millionen Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen durchgeführt werden. Da der Impfschutz nach einer gewissen Zeit nachlässt, wird auch eine Regelung erwogen, wonach Geimpfte ihren Impfstatus nach einer gewissen Zeit wieder verlieren.
Kritik an Impfpflicht und an 2G
Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte sprach sich dabei für klare bundeseinheitliche Regeln und eine Hotspot-Strategie aus. Das sei kein Widerspruch, sagte der SPD-Politiker dem ZDF. Bei Vorschlägen zu weiteren Schritten wie etwa flächendeckenden Restaurantschließungen sieht Bovenschulte die stark betroffenen Länder am Zug. "Das müssen die Länder sagen, in denen die Situation ganz besonders schwierig ist", sagte der Bremer Bürgermeister. In seiner Stadt ist die Lage weniger dramatisch als etwa in Bayern, Sachsen und Thüringen. Bremen hat zudem die bundesweit höchste Impfquote.
"Wogegen ich mich immer ausgesprochen habe, ist ein Lockdown für Geimpfte", betonte Bovenschulte. Geimpfte steckten sich viel seltener an und hätten, falls sie doch erkrankten, weit mildere Verläufe. Der eingeschlagene Kurs mit harten und klaren Regeln für Ungeimpfte sei richtig. "Wir haben einen Lockdown für Ungeimpfte, einen sehr weitgehenden." Er sei auch für eine allgemeine Impfpflicht für Erwachsene, allerdings bedeute die Ausgestaltung noch "ganz viel Arbeit im Detail".
Eine allgemeine Impfpflicht bleibt aber nach wie vor umstritten. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sprach sich in der "Augsburger Allgemeinen" dagegen aus. In der FDP-Fraktion gibt es auch andere Ansichten. Aus Sicht des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach sollten Kinder bei einer Impfpflicht außen vor bleiben, wie er bei ntv betonte. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann, zeigte sich in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" offen gegenüber einer allgemeinen Impfpflicht, betonte jedoch, dass die Meinungen dazu "in der Bevölkerung, aber auch in den Gewerkschaften weit auseinander" gingen. Daher brauche es einen breiten gesellschaftlichen Konsens, bevor sie eingeführt wird.
Auch an anderen geplanten Maßnahmen gibt es Kritik. Der Handelsverband Deutschland befürchtet durch 2G-Regeln Umsatzverluste von bis zu 50 Prozent für die betroffenen Firmen. "Das ist nach den ohnehin schon kräftezehrenden Lockdowns der vergangenen Monate für viele nicht zu verkraften", sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth der Funke Mediengruppe. Lauterbach verteidigte in der "Rheinischen Post" 2G-Regeln für das öffentliche Leben, auch im Handel. Für die Gastronomie sollte sogar 2G plus gelten, forderte er. Damit bräuchten Geimpfte und Genesene zusätzlich einen negativen Corona-Test.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP