Gedenken in Leningrad Lambsdorff findet Nazi-Vergleich "vollkommen absurd"
27.01.2024, 16:08 Uhr Artikel anhören
Der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Lambsdorff ist seit 2023 deutscher Botschafter in Moskau.
(Foto: Rainer Munz)
Russland vergleicht die Regierung in der Ukraine immer wieder mit der Nazi-Herrschaft in Deutschland. Das weist der deutsche Botschafter Graf Lambsdorff nun entschieden zurück. 80 Jahre nach dem Ende der deutschen Belagerung Leningrads gedenkt er der russischen Opfer.
Im russischen St. Petersburg hat sich der deutsche Botschafter Alexander Graf Lambsdorff an den Gedenkfeierlichkeiten zur deutschen Belagerung der Stadt im Zweiten Weltkrieg beteiligt. Am Soldatenfriedhof Piskarjowskoje legte der Diplomat einen Kranz nieder. "Wir stehen hier auf dem größten Kriegsfriedhof der Welt. Hier liegen 490.000 Menschen, die infolge eines deutschen Kriegsverbrechens ums Leben gekommen ist", sagte er ntv.
Die Truppen Nazi-Deutschlands hatten versucht, die Stadt auszuhungern. Vor genau 80 Jahren, am 27. Januar 1944, durchbrachen sowjetische Truppen den Belagerungsring der Wehrmacht rund um Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. Deutsche Truppen hatten gezielt den Tod von geschätzt 1,2 Millionen Menschen verursacht. Sie kamen durch Bombardierungen, Hunger und Kälte ums Leben. Die Belagerung dauerte fast 900 Tage.
"Die Russen haben diese Stadt gerettet und sind stolz darauf. Deswegen ist das hier ehrliche Emotion, die wir sehen. Das ist sehr bewegend", so Graf Lambsdorff weiter. "Es ist wichtig für uns als Deutsche, die Erinnerungen an die eigenen Kriegstaten nicht in den Hintergrund treten zu lassen." Es sei ihm wichtig, das Motto "Nie wieder Krieg" noch einmal zu betonen.
Nazi-Vergleich "vollkommen absurd"
Lambsdorff wies Äußerungen des russischen Parlamentspräsidenten Wjatscheslaw Wolodin zurück, der die ukrainische Regierung mit dem Nazi-Regime im Dritten Reich verglichen hatte. "Für die Führung der NATO-Länder ist die faschistische Ideologie zur Norm geworden", schrieb Wolodin auf seinem Telegram-Kanal. Er beschuldigte die westlichen Regierungen, darunter explizit die Bundesregierung unter Olaf Scholz, eine Politik des Völkermords in der Ukraine zu unterstützen. "Das ist ein gefährlicher Weg, der zu einem neuen Weltkrieg führen kann."
"Wenn man hier in Leningrad steht und sieht, was die Nazis wirklich angerichtet haben und gleichzeitig weiß, dass in der Ukraine ein demokratisch gewählter jüdischer Präsident regiert, sind solche Vergleiche vollkommen absurd", sagte Graf Lambsdorff ntv.
Russland begründet seinen fast zwei Jahre währenden Angriffskrieg gegen die Ukraine unter anderem mit der Behauptung, das Nachbarland "entnazifizieren" zu müssen. Russlands Präsident Wladimir Putin bemüht immer wieder den historischen Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg, um seinen Angriff auf das Nachbarland zu rechtfertigen. Dabei setzt er die von ihm befohlene Invasion der Ukraine mit der Verteidigung der Sowjetunion gegen den verbrecherischen Angriffskrieg Nazi-Deutschlands gleich. Speziell an Jahrestagen nutzt Moskau das Argument der "Verteidigung des Andenkens an die Kriegstoten" für seine Kriegspropaganda.
Quelle: ntv.de, vpe mit dpa