Große Koalition, Rot-Rot oder "Hamburger Modell" Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
01.04.2002, 14:10 UhrSachsen-Anhalt ist in den Wochen vor der Landtagswahl am 21. April Großkampfplatz für Bundespolitiker aller Parteien: Bundeskanzler Gerhard Schröder überreichte Reifezeugnisse in einem Gymnasium in Dessau, Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber plant einen Besuch der Sektkellerei "Rotkäppchen" und will mit Magdeburgs Fußballern sprechen und der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle spricht in Halle.
Die Liste ließe sich ohne Mühe fortschreiben, auch mit Terminen von Spitzenpolitikern von Bündnis 90/Die Grünen und PDS. Grund für das parteiübergreifende Aufgebot ist die bevorstehende Landtagswahl, denn sie ist das letzte Votum der Wähler vor der Bundestagswahl im September und gilt als Richtungsentscheid.
Die besten Karten hat derzeit die CDU. Umfragen zufolge liegt die Union klar vor der regierenden SPD. Laut Wahlforschern würden 36 Prozent der Stimmberechtigten in dem neuen Bundesland CDU wählen. Die SPD käme dagegen nur auf 28 Prozent.
Etliche Sozialdemokraten würden zur Zeit die Variante Rot-Rot für Sachsen-Anhalt bevorzugen. Die PDS kommt nach den Prognosen auf knapp 20 Prozent. Bei einer Koalition mit den SED-Nachfolgern könnte der amtierende Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) weiter regieren. Zudem gibt es Erfahrungen im so genannten Magdeburger Modell, in dem die PDS seit Jahren die Minderheitsregierung von Höppner toleriert.
Eine derartige Konstellation übrigens fänden 40 Prozent der Sachsen-Anhaltiner schlecht, 27 Prozent gut und 30 Prozent wäre es egal, wie die Forschungsgruppe Wahlen für den ZDF-Länderspiegel jüngst herausfand.
Die SPD will über eine Koalition erst auf einem Parteitag nach der Wahl entscheiden. Maßgeblich sei, mit wem sich am besten sozialdemokratische Politik verwirklichen lasse, argumentiert der Landesvorsitzende Rüdiger Fikentscher.
Auch das "Hamburger Modell" könnte Pate stehen
Aber auch das "Hamburger Modell" könnte in Sachsen-Anhalt Pate stehen. Denn die Partei Rechtsstaatlicher Offensive des Hamburger Innensenators Ronald Schill tritt in dem neuen Bundesland erstmals außerhalb der Hansestadt an. Zwar sehen die Prognosen die Partei bei vier Prozent - und damit ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Doch Schills Landesvorsitzender Ulrich Marseille glaubt, "die Leute sagen bei Umfragen nicht, was sie denken".
Unternehmer und Multimillionär Marseille würde eigenen Angaben zufolge gern - wie Schill in Hamburg - gemeinsam mit Union und Liberalen die Geschicke Sachsen-Anhalts in die Hand nehmen. Von CDU-Landeschef Wolfgang Böhmer kam bislang keine Absage.
FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper hingegen, Spitzenkandidatin ihrer Partei in dem neuen Bundesland, will im Gegensatz zu ihren Hamburger Parteifreunden auf keinen Fall mit der Schill-Partei zusammenarbeiten. Wiederholt warf sie Marseille "wirtschaftliche Interessen im Wahlkampf" vor. Der Klinikbetreiber liegt mit dem Land im Rechtsstreit um Fördergelder in zweistelliger Millionenhöhe.
Pieper ist aber auch gegen eine große Koalition, und verweist bei ihrer Argumentation auf Brandenburg und den Streit über das Zuwanderungsgesetz als "völlig ungeeignetes Vorbild für Sachsen-Anhalt". Böhmer, der der SPD wiederholt eine "Sanierungskoalition" von Union und Sozialdemokraten angeboten hatte, biedere sich bei Höppner an.
Die FDP ist seit 1994 nicht mehr im Magdeburger Landtag vertreten, könnte den Wiedereinzug aber laut Prognosen mit sieben Prozent der Wählerstimmen schaffen. Eine Koalitionsaussage kam von den Liberalen bislang nicht. An der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würden der Umfrage zufolge allerdings die Grünen mit drei und alle anderen Parteien mit zusammen ebenfalls drei Prozent. Die rechtsextremistische DVU, die vor vier Jahren überraschend mit knapp 13 Prozent der Wählerstimmen in den Landtag einziehen konnte, tritt nicht wieder an.
Birgitt Pötzsch, AP
Quelle: ntv.de