Konflikt und kein Ende in Sicht Lange Chronik der Gewalt zwischen Israel und Palästinensern
07.10.2023, 18:49 Uhr Artikel anhören
Die jüngsten Angriffe sind nur eine Episode eines lange bestehenden Konflikts.
(Foto: dpa)
Israel befindet sich "im Krieg", wie Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach dem Angriff der Hamas erklärte. Tausende Raketen wurden vom Gazastreifen auf Israel abgefeuert, auch auf eigenem Boden kämpft die israelische Armee gegen palästinensische Kämpfer.
Seit Gründung des Staates Israel kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Nachbarn. Der erste Nahostkrieg war für Israel ein Unabhängigkeitskrieg - für die Palästinenser hingegen der Beginn der "Nakba" (Katastrophe), ihrer Flucht und Vertreibung. Eine Chronik über die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Palästinensern um den Gazastreifen, in dem 2,3 Millionen Menschen leben.
29. November 1947: Die Vollversammlung der Vereinten Nationen ruft zur Teilung des britischen Mandatsgebiets Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat auf (Resolution 181). Die Juden stimmen zu, die Araber in Palästina und die arabischen Staaten lehnen den Plan ab.
14. Mai 1948: David Ben Gurion verliest Israels Unabhängigkeitserklärung. Am Tag darauf erklären die arabischen Nachbarn Ägypten, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien den Krieg. Im Kampf kann der neue Staat sein Territorium vergrößern und den Westteil Jerusalems erobern. Rund 700.000 Palästinenser fliehen.
Oktober 1956: In der Suez-Krise kämpfen israelische Truppen an der Seite Frankreichs und Großbritanniens um die Kontrolle des Suez-Kanals, den Ägypten zuvor verstaatlicht hatte.
Juni 1967: Im Sechstagekrieg erobert Israel den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, das Westjordanland, Ostjerusalem und die Golanhöhen.
Oktober 1973: Eine Allianz arabischer Staaten unter Führung von Ägypten und Syrien überfällt Israel an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag. Nur unter schweren Verlusten gelingt es Israel, den Angriff abzuwehren.
März 1979: Israels Regierungschef Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar al-Sadat schließen einen von den USA vermittelten Friedensvertrag.
Juni 1982: Beginn der Operation "Frieden für Galiläa". Israel greift Stellungen der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO im Libanon an und marschiert ins Nachbarland ein.
Sept 1982: Christliche libanesische Milizionäre verüben in einem palästinensischen Flüchtlingslager das Massaker von Sabra und Schatila - in Sichtweite israelischer Kontrollposten. Israels Verteidigungsminister Ariel Scharon wird eine politische Mitverantwortung angelastet.
Dezember 1987: Ausbruch des ersten Palästinenseraufstands ("Intifada").
September 1993: Israels Ministerpräsident Izchak Rabin und PLO-Chef Jassir Arafat unterzeichnen die Oslo-Friedensverträge.
4. November 1995: Rabin wird nach einer Friedenskundgebung in Tel Aviv von einem jüdischen Fanatiker erschossen.
September 2000: Nach einem Besuch von Israels damaligem Oppositionsführer Ariel Scharon auf dem Tempelberg in Jerusalem bricht die zweite Intifada aus.
2002: Israel beginnt mit dem Bau einer 750 Kilometer langen Sperranlage rund ums Westjordanland. Zäune und Mauern verlaufen zum Teil auf palästinensischem Gebiet.
August 2005: 38 Jahre nach der Eroberung des Gazastreifens durch Ägypten im Nahostkrieg ziehen sich die israelischen Streitkräfte aus dem Küstengebiet zurück, geben die Siedlungen auf und überlassen die Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde.
25. Januar 2006: Die islamistische Gruppe Hamas gewinnt bei den palästinensischen Parlamentswahlen die Mehrheit der Sitze. Israel und die USA stellen die Hilfe für die Palästinenser ein, weil die Hamas sich weigert, der Gewalt abzuschwören und Israel anzuerkennen.
25. Juni 2006: Militante Hamas-Kämpfer nehmen den israelischen Wehrpflichtigen Gilad Shalit bei einem Überfall gefangen, was israelische Luftangriffe auslöst. Shalit wird mehr als fünf Jahre später im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen.
Juli 2006: Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz liefern sich einen einmonatigen Krieg.
Juni 2007: Die Hamas übernimmt nach einem kurzen Bruderkrieg gegen die Fatah-Bewegung des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas die Kontrolle über den Gazastreifen. Die Fatah zieht sich in das Westjordanland zurück.
27. Dezember 2008: Israel startet eine 22-tägige Militäroffensive im Gazastreifen, nachdem Palästinenser Raketen auf die südisraelische Stadt Sderot abgefeuert haben. Es wird berichtet, dass etwa 1400 Palästinenser und 13 Israelis getötet werden, bevor ein Waffenstillstand vereinbart wird.
3. Januar 2009: Israelische Bodentruppen dringen in den Küstenstreifen ein. Die Auseinandersetzung endet am 18. Januar mit einem Waffenstillstand. Bei den Kämpfen werden 1440 Palästinenser und 13 Israelis getötet. Amnesty International wirft in einem Bericht später sowohl Israel als auch der Hamas "Kriegsverbrechen" vor.
14. November 2012: Israel tötet den militärischen Stabschef der Hamas, Ahmad Jabari. Es folgen acht Tage, in denen die Hamas Israel mit Raketen beschießt und das israelische Militär Luftangriffe auf den Gazastreifen fliegt.
Juli-August 2014: Die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern durch die Hamas führt zu einem siebenwöchigen Krieg, in dem mehr als 2100 Palästinenser im Gazastreifen und 73 Israelis getötet werden, darunter 67 Soldaten. Am 26. August, nach 50 Tagen Krieg, schließen Israel und die Hamas ein von Ägypten vermitteltes Waffenstillstandsabkommen. Der Gazastreifen ist verwüstet. Laut dem UN-Büro für humanitäre Angelegen (Ocha) werden fast 55.000 Häuser bei israelischen Angriffen getroffen und mindestens 17.200 davon ganz oder teilweise zerstört.
Dezember 2017: US-Präsident Donald Trump verkündet den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Die Entscheidung stößt international auf heftige Kritik.
Frühjahr 2018: Am Grenzzaun zwischen Israel und Gazastreifen beginnen wochenlange Demonstrationen von Palästinensern für das Recht auf Rückkehr auf das Gebiet des heutigen Israels. Mehr als 100 werden von der Armee erschossen. Die USA eröffnen ihre Botschaft in Jerusalem.
Januar 2020: Trump und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu präsentieren einen Nahost-Friedensplan. Die Palästinenser sehen das Völkerrecht verletzt und lehnen ihn ab.
Mai 2021: Der Konflikt eskaliert unter anderem nach Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften am Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in Jerusalem und im arabischen Osten der Stadt. Bei einem elftägigen Schlagabtausch sterben palästinensischen Angaben zufolge 255 Menschen, in Israel nach israelischen Angaben 14. Die Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad feuern mehr als 4300 Raketen ab, 90 Prozent der Geschosse werden von Israels Raketenschutzschirm abgefangen. Ägypten vermittelt eine Waffenruhe.
Frühjahr 2022: Nach einer Serie von Anschlägen auf Israelis sterben 18 Menschen. Danach unternimmt Israels Armee im Westjordanland vermehrt Razzien. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah werden 2022 mehr als 170 Palästinenser in Zusammenhang mit Militäreinsätzen, bei Zusammenstößen oder eigenen Anschlägen getötet.
August 2022: Das israelische Militär startet eine großangelegte Militäraktion gegen die militante Palästinensergruppe Islamischer Dschihad. Dutzende Menschen sterben, darunter auch ein hochrangiger Kommandeur der Al-Aksa-Brigaden. Palästinenser feuern daraufhin Raketen auf israelische Ortschaften. Der Eskalation vorangegangen war die Festnahme eines Anführers der von der EU und USA als Terrororganisation eingestuften Gruppe. Nach dreitägigen Kämpfen tritt eine Waffenruhe in Kraft.
Mai 2023: Im Mai 2023 flammt die Gewalt erneut auf - bei fünftägigen Kämpfen zwischen Israel und der zweiten radikalen Palästinenserorganisation im Gazastreifen, dem Islamischen Dschihad. Bei israelischen Angriffen werden mindestens sechs führende Vertreter des Islamischen Dschihad getötet, der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft wird. Insgesamt sterben 33 Menschen im Gazastreifen und zwei in Israel. Ägypten vermittelt ein weiteres Mal einen Waffenstillstand.
Juli 2023: Bei einem der größten Militäreinsätze im Westjordanland seit 20 Jahren rücken mehr als tausend Soldaten in die Stadt Dschenin ein. Auf israelischer Seite stirbt ein Soldat durch israelisches Feuer, auf der Gegenseite werden mindestens zwölf Palästinenser getötet und mehr als 100 verletzt. Die Armee begründet die Operation damit, terroristische Infrastruktur zu zerschlagen.
Oktober 2023: Überraschend feuern militante Palästinenser aus dem Küstenstreifen Tausende von Raketen auf israelische Ortschaften. Gleichzeitig dringen zahlreiche bewaffnete Palästinenser über Land, See und Luft nach Israel vor. Israels Armee beschießt als Folge der Großangriffe den Gazastreifen. Auf beiden Seiten sterben am ersten Tag des Konflikts mindestens Dutzende Menschen.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/AFP/rts