Politik

"Von Nato-Einheiten umzingelt" Lawrow gerät mit Gabriel aneinander

Noch gibt es einige Differenzen: Gabriel (l) mit seinem Amtskollegen Lawrow in Moskau.

Noch gibt es einige Differenzen: Gabriel (l) mit seinem Amtskollegen Lawrow in Moskau.

(Foto: dpa)

Bedroht Russland die östlichen Nato-Mitglieder mit seiner militärischen Übermacht? Außenminister Gabriel und sein russischer Amtskollege Lawrow sind da uneins. Und Lawrow wirft dem Westen eine Zusammenarbeit "mit den Putschisten" in der Ukraine vor.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und sein russischer Kollege Sergej Lawrow sind beim Thema Sicherheitspolitik aneinandergeraten. Lawrow wies auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Moskau Vorwürfe zurück, sein Land bedrohe die östlichen Nato-Mitglieder mit einer militärischen Übermacht. "Da haben wir eine andere Statistik", sagte Lawrow nach einem Treffen mit Gabriel.

Russland werde "von Nato-Waffen, von Nato-Einheiten umzingelt", sagte er. "An unserer Grenze erscheinen Bodentruppen der Nato, auch aus der Bundesrepublik Deutschland." Lawrow schlug vor, die Truppen- und Waffenstationierungen im Nato-Russland-Rat abzugleichen. "Man muss eine Landkarte auf den Tisch legen und eine Bestandsaufnahme machen, wer was wo stationiert hat." Dann würden sich alle Fragen von alleine beantworten. Gabriel sagte, "westlich" stehe für ihn für die Ideen von Freiheit und Menschenrechten, für die er eintrete.

Die Nato verlagert derzeit als Reaktion auf die Ukraine-Krise 4000 Soldaten ins Baltikum und nach Polen. Gabriel hatte dafür am Mittwoch bei einem Besuch in Polen Russland die alleinige Verantwortung dafür zugewiesen: "Wenn Sie sich anschauen, welche gewaltige Militärmaschinerie dem gegenüber steht, dann kann man glaube ich nicht davon reden, dass die Nato oder der Westen eine Aufrüstungsspirale begonnen hätte."

Moskau verlegt ebenfalls Zehntausende Soldaten an seine Westgrenze. Zudem droht Russland mit der Stationierung von Mittelstreckenraketen in der Exklave Kaliningrad. Ob sie schon dort sind, ist unklar. Sie könnten jedes Ziel in Polen und auch Berlin erreichen.

Unterschiedlich blieben die Positionen nach dem gemeinsamen Gespräch der beiden Minister auch beim Ukraine-Konflikt. Lawrow warf der Nato vor, "mit den Putschisten dort" zusammenzuarbeiten, um das Land in die westliche Allianz zu führen. Gabriel verwies in seiner Erwiderung indirekt auf die russische Annexion der Krim: "Wir sind der Überzeugung, dass bei allem Respekt vor diesen Sorgen die Verletzung von Grenzen in der Mitte Europas etwas ist, das wir nicht akzeptieren können."

Gabriel warnt vor Einmischung in Wahlkampf

Gabriel warnte Russland zudem vor einer Einmischung in den Bundestagswahlkampf. Auf eine Frage nach den Wikileaks-Enthüllungen über Abhörpraktiken des US-Geheimdienstes CIA reagierte er erst scherzhaft: "Zwischen deutschen Politikern gab es ohnehin die Vermutung, dass unsere Kommunikationsdienstleistungen nicht völlig frei sind vom Interesse anderer Länder, sehr gut informiert zu sein", sagte Gabriel.

Ohne Russland direkt zu nennen, fügte er hinzu: "Eine neue Qualität hat es, wenn aus anderen Ländern versucht wird, in die Kommunikation dergestalt einzugreifen, dass versucht wird, die Meinungsbildung zu beeinflussen." Deutschland werde sich zu wehren wissen. Wahlkämpfe sollten "unbeeinflusst von wem auch immer stattfinden".

US-Geheimdienste vermuten Russland hinter Angriffen auf Computer der Demokratischen Partei im Wahlkampf vergangenes Jahr. Deutsche Sicherheitsbehörden schließen ähnliche Hackerangriffe oder Desinformationskampagnen zur Bundestagswahl nicht aus. "Alle diese Vorwürfe sind haltlos", entgegnete Lawrow. Es gebe keine Beweise. Wenn die Bundesregierung solche Befürchtungen habe, solle sie dies offen in Russland ansprechen.

"Offen für eine Zusammenarbeit"

Trotz dieser Differenzen betonten Lawrow wie Gabriel auch die Bedeutung der beidseitigen Beziehungen und erklärten ihren Willen, diese auszubauen. "Wir sind offen für eine Zusammenarbeit", kommentierte Lawrow den Antrittsbesuch des deutschen Kollegen. Gabriel betonte die "gemeinsame Verantwortung für Frieden und Stabilität". Er gab allerdings auch zu bedenken, dass weitergehende Schritte wie neue Abrüstungsvereinbarungen kaum möglich sein würden, wenn es nicht gelinge, den Ukraine-Konflikt zu lösen.

Der Vizekanzler will in Moskau neben Lawrow auch Präsident Wladimir Putin im Kreml treffen. Am Morgen hatte er sich in der Residenz des deutschen Botschafters bereits mit Vertretern der russischen Zivilgesellschaft getroffen.

Zum Auftakt seines Besuchs in Moskau hatte Gabriel für Abrüstungsmaßnahmen geworben und vor einer Eskalation der Beziehungen gewarnt. "Einen Rückfall in die Zeiten des Kalten Krieges müssen wir um jeden Preis verhindern", sagte Gabriel der russischen Nachrichtenagentur Interfax.

Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP

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