Medwedew gegen Putin Libyen-Krieg entfacht Streit in Russland
21.03.2011, 18:36 Uhr
Hat im Gegensatz zu Putin ein Gespür für Gerechtigkeit und Demokratie: Dmitri Medwedew.
(Foto: dpa)
Überraschend scharf weist Kremlchef Medwedew im Libyen-Konflikt seinen politischen Ziehvater Putin in die Schranken. Das riecht nach einem handfesten Streit im Machttandem, der vor der Präsidentenwahl in einem Jahr ungewöhnlich deutlich zutage tritt.
Die westlichen Kampfeinsätze gegen Libyen erschüttern jetzt auch Russlands Innenpolitik: Erstmals weist Präsident Dmitri Medwedew den Regierungschef Wladimir Putin öffentlich und in aller Schärfe in die Schranken. Putins Vergleich der Angriffe auf Libyen mit einem "mittelalterlichen Kreuzzug" sei "unangebracht", belehrt Medwedew seinen politischen Ziehvater. Ein Jahr vor der Präsidentenwahl in Russland will das Machttandem vor allem zeigen, dass der Kampf um den Kreml offen ist.
Viele Russen kennen zwar die Seitenhiebe Medwedews gegen Putins "populistische Auftritte" etwa als Löschmeister bei den Waldbränden des letzten Sommers. Nun aber verbittet sich Medwedew, dessen Zuständigkeit die Außenpolitik ist, dass Putin öffentlich den Kremlkurs kritisiert. Russland unterstütze die Libyen-Politik des Weltsicherheitsrates, betont Medwedew. Sein Land habe bewusst die jüngste Resolution im Weltsicherheitsrat nicht durch sein Veto verhindert, sondern durch Enthaltung den Weg dafür freigemacht.
Putin trifft Nerv der Russen
Außenminister Sergej Lawrow habe hier ausdrücklich nach Kremlanweisung gehandelt, erklärt Medwedew als Antwort auf Putins Kritik an der Resolution. Vor Arbeitern einer Fabrik in Wotkinsk, die Interkontinentalraketen produziert, wettert der Regierungschef allerdings, dass die Entschließung des Weltsicherheitsrates "Kreuzzüge" aller Art gegen souveräne Staaten ermögliche.
Und dann schießt sich Putin auf die USA ein. Wie schon in Afghanistan und im Irak spiele Washington mit konstanter Härte Weltpolizei. Unter dem Vorwand einer Friedensmission zum Schutz der zivilen Bevölkerung gehe es doch wieder nur um das Milliardengeschäft Öl. Damit trifft Putin einmal mehr den Nerv vieler Russen, die dem Westen oft unterstellen, er habe es auch nur auf ihre gewaltigen Energieressourcen und Bodenschätze abgesehen.
Russen befürchten Angriffe auf Öl und Gas
"Internationales Recht - das ist doch auch nur das Recht des Stärkeren. Und alle Beteuerungen über Gerechtigkeit und Gleichheit - alles nur bla-bla-bla", bringt etwa das Boulevardblatt "Moskowski Komsomolez" die Stimmung auf den Punkt. Eine in Moskau gängige These lautet, dass die USA ja auch arme Länder vom Joch der Diktatoren befreien würden, wenn es ihnen wirklich um die Demokratie ginge.
Und weil viele Russen tatsächlich Angriffe des Westens auf ihr Öl und Gas befürchten, verspricht Putin prompt Schutz und erinnert im Raketenwerk an die steigenden Rüstungsausgaben: "Die heutigen Ereignisse in Libyen beweisen, dass wir alles richtig machen mit einer Stärkung unserer Kampffähigkeit." Es beunruhige ihn doch sehr, mit welcher Leichtigkeit heute Kampfhandlungen auf internationaler Ebene gegen souveräne Staaten durchgesetzt würden.
Medwedew und Putin entfernen sich
Traditionell hält sich Russland gern aus solchen internationalen Konflikten wie in Libyen raus. Grund dafür ist, wie Kommentatoren meinen, dass das Land durch seine neutrale Haltung nach Ende der Kampfhandlungen wirtschaftlich leichter Fuß fassen könnte. Darum geht es auch Medwedew, der militärische Einsätze Russlands ablehnt.
Zumindest aber warnt Medwedew nun, dass Putins Worte den Konflikt nur noch schlimmer machen könnten als ohnehin schon. "Daran sollte jeder denken", betont er. Zwar erklären Medwedew und Putin immer wieder, dass ihr Machttandem reibungslos laufe und es keinen Konflikt gebe. Doch die in diesem Jahr für den Friedensnobelpreis nominierte Moskauer Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina sieht zwischen beiden Politikern längst einen fundamentalen Unterschied.
Putin sei im Gegensatz zu Medwedew nicht in der Lage, zwischen Gut und Böse auf dieser Welt zu unterscheiden, sagt die 69-Jährige. Medwedew zeige zumindest weiter ein Gespür für Gerechtigkeit und Demokratie - und dies lasse hoffen, dass sich diese Politik am Ende durchsetzt.
Quelle: ntv.de, Ulf Mauder, dpa