Politik

Nord-Stream-2-Vorstoß empört Lindner nennt Kubickis Vorschlag abwegig

Kubickis Ruf nach Öffnung von Nordstream 2 kommt gar nicht gut an - weder in Deutschland noch in der Ukraine.

Kubickis Ruf nach Öffnung von Nord Stream 2 kommt gar nicht gut an - weder in Deutschland noch in der Ukraine.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Um die Chance auf mehr russisches Gas zu erhöhen, will FDP-Vize Kubicki Nord Stream 2 in Betrieb nehmen. Damit stößt er selbst in den eigenen Reihen auf deutliche Kritik. Der ukrainische Außenminister zieht einen Vergleich zu Drogensüchtigen.

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner geht deutlich auf Distanz zu Forderungen seines Parteivizes Wolfgang Kubicki nach einer Öffnung der Ostsee-Gasleitung Nord Stream 2. Lindner halte den Vorschlag für "falsch und abwegig", sagte eine Sprecherin seines Bundesfinanzministeriums. Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner erklärte, es gebe auch keine Pläne der Bundesregierung zu einer Inbetriebnahme der Pipeline. Eine Wiederaufnahme des Projekts stehe nicht zur Debatte.

Auch andere führende FDP-Politiker distanzierten sich von Kubickis Vorstoß. Bundesjustizminister Marco Buschmann bezeichnete Kubickis Vorschlag bei ntv als dessen Privatmeinung. "Die FDP hält nichts davon. Das wäre das falsche Signal. Wir müssen entschlossen sein in unserer Haltung." Die Öffnung der Pipeline würde nichts an der Situation grundsätzlich ändern. "Gas ist für Putin eine Waffe. Er entscheidet, wie viel Gas egal durch welche Pipeline kommt", sagte Buschmann. "Er wird uns unter Druck setzen, egal wie viele Pipelines offen oder zu sind." Das sei eine Scheindebatte. Man müsse uns aus der Abhängigkeit lösen.

Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verwies darauf, dass Russland Energiepolitik "als Waffe" einsetze. Die Entscheidung, Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen "war richtig und ist richtig", sagte er dem "Spiegel". Projekte wie Nord Stream 2 hätten Deutschland ohnehin schon "in eine gefährliche Abhängigkeit" von Russland gebracht. FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff verwies auf Twitter ebenfalls darauf, dass Russland Gas ebenso durch andere Pipelines liefern könne wie Nord Stream 1 oder Jamal. Wenn aber Nord Stream 2 in Betrieb genommen würde, würde Deutschland damit "im Alleingang den politischen Konsens in NATO und EU zerstören", was ein "Debakel" wäre.

Kubicki hatte unter anderem in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland gefordert, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. "Wir sollten Nord Stream 2 jetzt schleunigst öffnen, um unsere Gasspeicher für den Winter zu füllen", verlangte er. Kubicki argumentierte, es sei "nicht unmoralischer", russisches Gas auf diesem Weg zu beziehen als wie bisher durch die Pipeline Nord Stream 1. Der FDP-Vize bekräftigte zudem seine Forderungen nach einem Verzicht auf den Atomausstieg und die Nutzung von Fracking auch in Deutschland.

"Kubicki macht sich zum Handlanger Putins"

Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, sagte gegenüber T-Online: "Einmal mehr übernimmt Herr Kubicki die russische Propaganda und macht sich zum Handlanger Putins." Das Problem sei nicht, dass Nord Stream 2 nicht in Betrieb sei, sondern es liege am fehlenden politischen Willen des russischen Staatschefs Wladimir Putins, mehr Gas zu liefern. "Diesen politischen Erpressungsversuch sollten wir nicht auch noch unterstützen." Es mangle nicht an Röhren, sondern am Willen Putins, Deutschland durch diese Röhren ordentlich mit Gas zu versorgen, sagte auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst von der CDU.

Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni schlug in eine ähnliche Kerbe. Mit Blick auf die Politik Russlands stärke so ein Vorschlag falsche Narrative. Die Verknappung von Gas habe nichts mit Nord Stream 2 zu tun, sondern "ist eine politische Entscheidung Russlands", betonte Nanni. Sie erinnerte daran, dass schon die "einseitige Entpolitisierung" von Nord Stream 2 beim Bau der umstrittenen Pipeline "uns erst vor die großen Probleme gestellt" habe, "die die Bundesregierung jetzt im Eiltempo lösen muss".

Deutschland befinde sich in einer sehr harten Auseinandersetzung mit Russland, die ihren Ausgang mit dem nicht zu rechtfertigenden Angriff Russlands auf die Ukraine habe, betonte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. "Nord Stream 2 zu beerdigen war eine der Maßnahmen des Westens, auf diesen Angriff zu reagieren", sagte der SPD-Politiker. An dieser Stelle klein beizugeben wäre eindeutig ein Sieg Putins, ohne eine Sicherheit zu haben, dass sich für den Westen die Energiesicherheit zum Besseren wende. Deutschland müsse so schnell wie möglich unabhängig werden von Russland, betonte er und verwies auf die in Niedersachsen geplanten LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Stade. Das Terminal in Wilhelmshaven solle Ende des Jahres Gas liefern können.

Kuleba: Abhängigkeit von russischem Gas ist tödlich

Neben der innenpolitischen Kritik wählte auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba deutliche Worte. "Die Rufe von einigen deutschen Politikern, Nord Stream 2 für eine Weile zu öffnen und sie später wieder zu schließen, sind völlig irrational. Das ähnelt den Worten eines Drogensüchtigen, der sagt: 'Nur noch ein letztes Mal!', ohne dabei die verheerenden Konsequenzen von 'ein letztes Mal' zu berücksichtigen. Abhängigkeit von russischem Gas ist tödlich!"

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Die Forderung nach der Öffnung der Pipeline sei "Teil der psychologischen Kriegsführung" von Russlands Machthaber Wladimir Putin, erklärte der SPD-Außenpolitiker Michael Roth auf Twitter. Er warnte davor "wieder in eine von Putins Fallen zu tappen". Russland könnte liefern, "will aber nicht", sagte auch er.

Lob für Kubicki kam von AfD-Europapolitiker Maximilian Krah. Er begrüßt auf Twitter, dass Kubicki damit "unsere außenpolitische Positionierung" übernehme. "Nord Stream 2 starten!", forderte auch AfD-Chef Tino Chrupalla. Die Bundesregierung hatte nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine entschieden, Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen.

Quelle: ntv.de, ysc/hul/AFP/dpa

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