Gemeinsames Rentenkonzept? Linke springt auf
12.08.2010, 13:35 Uhr
Gysi: Hände weg von Omas Rente!
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Linken-Fraktionschef Gysi will mit SPD und Grünen gemeinsam über die Sozial- und Rentenpolitik nachdenken – "nicht im Sinne von Koalitionsgesprächen". Es gehe um "Alternativen zur herrschenden Politik". Derweil äußert sich Arbeitgeberpräsident Hundt "besorgt" und argumentiert mit den ungenauen Zahlen von Ressortchefin von der Leyen für die Rente mit 67.
Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, hat SPD und Grüne zu Gesprächen über die Renten- und Sozialpolitik aufgefordert. "Wir sollten anfangen, über diese Dinge gemeinsam nachzudenken", sagte Gysi der "Saarbrücker Zeitung". "Nicht im Sinne von Koalitionsgesprächen, darum geht es jetzt nicht. Es geht darum, Alternativen zur herrschenden Politik zu formulieren."
Die Rente mit 67 sei grundsätzlich falsch, weil sie für alle Arbeitnehmer eine Rentenkürzung bedeute, sagte Gysi. Die von der SPD vorgeschlagene Aussetzung der Pläne sei zwar richtig, reiche nicht aus.
Gysi sprach sich für das Konzept einer Bürgerversicherung aus, bei der Einkommen aus Vermögen oder Mieteinnahmen einbezogen werden sollen, ebenso Selbständige. Zudem solle die Beitragsbemessungsgrenze schrittweise aufgehoben werden. Auf diese Weise lasse sich auch weiterhin eine Rente ab 65 Jahren finanzieren.
Bislang hatte sich die SPD-Spitze nur dafür ausgesprochen, die geplante Anhebung des Rentenalters vorübergehend auszusetzen. Grundsätzlich befürworten die Sozialdemokraten die schrittweise Erhöhung der Rentenaltersgrenze.
Gewerkschaften: Scheinlösung und Fehlentscheidung
Auch die IG Metall forderte von der SPD, sich endgültig von der Rente mit 67 zu verabschieden. IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans- Jürgen Urban sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Wir brauchen keine Scheinlösungen, sondern ohne Wenn und Aber ein Nein zur Rente mit 67." Die Beschäftigungsquote älterer Menschen sei nach wie vor "miserabel".
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte die Rente mit 67 als "fatale Fehlentscheidung" und forderte von der Bundesregierung eine ehrliche Bestandsaufnahme zur Beschäftigung älterer Menschen. Nur jeder Zehnte schaffe es, aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erst mit 65 in Rente zu gehen, sagte DGB- Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der "Braunschweiger Zeitung". Das deckt sich mit Regierungsangaben vom Juni, wonach von den 64-Jährigen nur noch jeder Zehnte beschäftigt ist.
Arbeitgeber: Für Ältere gibt es immer mehr Jobs
Arbeitgeber warnen indes weiter vor einer Rücknahme der Rente mit 67. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt verfolgt die Überlegungen in der SPD "mit großer Sorge". Dem "Hamburger Abendblatt" sagte er: "Es führt kein Weg daran vorbei, bei steigender Lebenserwartung das Renteneintrittsalter nach oben zu verändern." Wenn die Rente mit 67 gekippt werde, "sind gewaltige Beitragserhöhungen zu erwarten - mit schweren Belastungen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung".

Sie sind sich einig, Hundt und von der Leyen. Nur die Zahlen sind nicht ganz richtig.
(Foto: picture alliance / dpa)
So wie Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verwies auch Hundt auf die angeblich wachsenden Berufschancen älterer Arbeitnehmer: "Für Ältere gibt es immer mehr Jobs." Im Jahr 2000 seien von den 55- bis 64-Jährigen 37 Prozent beschäftigt gewesen, heute seien es 57 Prozent. "Wir sind in Zukunft auf die Mitarbeit, die Erfahrung und die Qualifikation Älterer sehr angewiesen."
Geschönte Zahlen
Von der Leyen hatte eine Beschäftigungsquote von 40 Prozent für diese Altersgruppe genannt. Einen Tag später musste ein Sprecher ihres Ministeriums die Angaben berichtigen, denn die Ressortchefin hatte auch Mini-Jobber, Aushilfen und Selbstständige mit einbezogen. Nur 21,5 Prozent der 60- bis 64-Jährigen gingen 2008 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, räumte der Sprecher ein.
Eine entspannte Arbeitsmarktlage für Ältere ist nach dem 2006 von Union und SPD verabschiedeten Gesetz aber Voraussetzung für die schrittweise Anhebung des Rentenalters auf 67. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin äußerte Zweifel: Die Beschäftigung der Älteren nehme derzeit nicht in dem Maße zu, wie es als Voraussetzung vorgesehen gewesen sei, sagte er dem "Tagesspiegel." Wenn aber nicht mehr Ältere in Beschäftigung gebracht würden, laufe die Rente mit 67 "bloß auf eine Verlängerung der Lebensarbeitslosigkeit raus". Trittin forderte eine "Garantierente für alle, die dem Arbeitsmarkt 33 Jahre zur Verfügung gestanden haben".
Nach geltender Rechtslage wird das Rentenalter zwischen 2012 und 2029 in monatlichen Schritten von derzeit 65 auf 67 Jahre angehoben. Die SPD-Spitze hat sich dafür ausgesprochen, die Einführung der Rente mit 67 vorübergehend aussetzen. Sie solle erst dann kommen, wenn deutlich mehr ältere Arbeitnehmer als heute in Beschäftigung sind.
Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP