Politik

"Vom Kopf auf die Füße" Linke will Radikal-Reform

Oskar Lafontaine hat eine radikale Reform des Steuersystems und einen "Schutzschirm für Arbeitnehmer" gefordert, um die Wirtschaftskrise erfolgreich zu bekämpfen. Nach Ansicht des Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Linken müssten Pendlerpauschale und Erbschaftsteuer "revolutioniert" und das Arbeitslosengeld I von 12 auf bis zu 32 Monate verlängert werden. "Die Regierung hat die Gründe für die Finanzkrise nicht erkannt." Kanzlerin Angela Merkel mache Deutschland zum Verlierer der globalen Krise. "Das Steuersystem muss von dem Kopf auf die Füße gestellt werden, um die Kaufkraft zu erhöhen", sagte Lafontaine.

"Die Erbschaftssteuer für Betriebe wird komplett erlassen, wenn in gleichem Maße die Mitarbeiter an dem Unternehmen beteiligt werden." Das Geld soll dann in eine Mitarbeitergesellschaft eingezahlt werden, die Miteigentümer des Unternehmens wäre. Damit wäre zum einen ihr Einfluss auf Unternehmensentscheidungen gesichert und zum anderen würden die Beschäftigten an den Gewinnen beteiligt, argumentierte der frühere SPD-Chef. Ferner bliebe das Vermögen im Betrieb, so dass dessen Erhalt im Erbfall garantiert wäre.

Kritik an Erbschaftssteuer

Lafontaine kritisierte die beschlossene Reform aufs schärfste: Die Erbschaftssteuer sei das größte sozialpolitische Versagen der SPD in diesem Jahr. "Sie treibt die Umverteilung von unten nach oben voran. Sie verschont die Millionärsvillen und sichert nicht den Erhalt von Arbeitsplätzen in vererbten Betrieben." Ein Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht sei programmiert.

Die Pendlerpauschale solle nicht mehr als Steuerermäßigung wirken, sondern als Kilometerpauschale ausgezahlt werden. "Damit hätten Geringverdiener am meisten davon." Denn bisher profitierten sie gar nicht von der Pendlerpauschale, weil sie aufgrund ihrer niedrigen Einkommen keine Steuern zahlten. "Eine Kilometerpauschale wäre für sie bares Geld während Spitzenverdiener darauf dann auch den Spitzensteuersatz zahlen müssten. Das wäre gerecht".

Hartz-IV-Satz erhöhen

Deutschland brauche keine Konjunkturprogramme, wie sie jetzt von Union und SPD beschlossen würden, sagte Lafontaine. "Deutschland braucht ein Strukturprogramm." Die Ausgaben für Bildung und Infrastruktur müssten um jährlich 50 Milliarden erhöht, der Hartz IV-Satz auf 435 Euro und die Renten um 4 Prozent angehoben werden. Ferner müsse ein gesetzlicher Mindestlohn flächendeckend eingeführt werden. Und die Löhne und Gehälter müssten viel stärker steigen als in den vergangenen zehn Jahren.

Mit einer "miesen Lohnentwicklung" werde die Binnenkonjunktur weiter geschwächt, argumentierte Lafontaine. Viele Menschen seien im Zuge der Rezession von Arbeitslosigkeit bedroht und ihre Chancen auf einen neuen Job binnen eines Jahres würden erheblich sinken. Deshalb müsse ein "Schutzschirm für Arbeitnehmer" aufgespannt werden. Der Linkspolitiker stellt sich darunter die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I auf mindestens 24 Monate vor - "besser noch wie bis 2006 wieder auf bis zu 32 Monate." Damit würde der "massenhafte Sturz in Hartz-IV-Verhältnisse" verhindert, sagte er.

Linkspartei kann nicht punkten

Mit seinen Vorschlägen versucht Lafontaine offenbar seine Partei in der Wirtschaftskrise stärker zu profilieren. Denn bislang kann die Linkspartei nicht in der Wählergunst punkten, wie Wahlforscher Matthias Jung erklärt. "Die Linke ist ein Stück weit eine Protestpartei, wo Unzufriedenheit ganz allgemeiner Art gegenüber den Regierenden oder den Etablierten kanalisiert wird", sagte der Geschäftsführer der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim. "Momentan sitzen aber die Schuldigen für die ökonomischen Verwerfungen aus Sicht der Bevölkerung nicht so stark in der Politik."

Die Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung habe sich in den vergangenen Wochen und Monaten auch aufgrund des Umgangs mit der Krise eher verbessert, erläuterte Jung. "Von daher ist die Protestdimension da eher rückläufig." Zudem gehe es momentan darum, wie man die Wirtschaft wieder stärker ans Laufen bekomme. "Die Frage, wie viel zusätzliche Sozialleistungen wir uns noch leisten können, tritt automatisch stärker in den Hintergrund, wenn ganz offensichtlich das Geld knapp ist und nicht Verteilungskämpfe im Vordergrund stehen, sondern die Frage, wie man das Wirtschaftssystem rezessionsfest machen kann." Soziale Gerechtigkeit sei mehr in den Zeiten des Wirtschaftswachstums ein Thema gewesen, als es "einen Wettstreit um das Verteilen von Zuwächsen" gegeben habe.

Quelle: ntv.de

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