Politik

Papst besucht verstörte Herde Live zu Wahlkampfzeiten

Papst Benedikt XVI. trifft in den USA auf eine reiche und mächtige, aber auch zerrissene und eher ängstliche katholische Kirche. Missbrauchskandale haben ihr Ansehen beschädigt und manche Diözesen fast in den Ruin getrieben. Die drittgrößte Ortskirche der Welt - nach Brasilien und Mexiko - leidet wie viele andere unter der Auszehrung des Klerus: Mit rund 46.000 Priestern gibt es heute in den USA 17.000 weniger als 1965. Damals hatten auch 116.000 Ordensschwestern mehr als heute ihr Leben Kirche und Glauben gewidmet. Und schließlich gibt es auch unter den rund 65 Millionen Katholiken im Land heftigen Streit über Glauben, Moderne und Politik.

Der Papst wird in den USA deshalb auch mit dem Wahlkampf konfrontiert. Das wird vor allem Demokraten kaum gefallen. Denn auch wenn der Papst als Gegner des Irakkriegs gilt, wird er vermutlich sehr viel deutlicher zum Thema Abtreibung und Sexualmoral sprechen. Viele US-Bischöfe sind ohnehin zornig auf katholische Hochschulen, in denen ihrer Ansicht nach ein viel zu liberaler Geist weht: Nur ein Fünftel der katholischen Jugend teilt jüngsten Umfragen zufolge die päpstlichen Sichtweisen über Verhütung, Abtreibung und Scheidung. Die Einladung des Mercyhurst Colleges (Pennsylvania) an die demokratische Senatorin Hillary Clinton, die wie ihr parteiinterner Konkurrent Barack Obama das Recht auf Abtreibung verteidigt, veranlasste Bischof Donald Trautman jüngst gar zum Boykott der katholischen Hochschule.

Mahnen ohne zu schelten

"Der Papst wird nicht schelten und verurteilen", beteuerte der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Francis George, in einem TV-Interview. Aber es sei auch kein Zufall, dass Benedikt XVI. in der Katholischen Universität von Amerika in Washington vor über 200 Präsidenten katholischer Hochschulen referieren wollte. Er werde "sicher mahnen, nicht den Kern der Glaubenslehre" zu ignorieren. Dazu gehöre ganz besonders "die Verurteilung des Tötens von Leben auch vor der Geburt", so der Kardinal.

Wegen dieser und anderen moralischen Fragen rumort es in der Ortskirche. Zwar prägen immer mehr "Latinos", US-Bürger mit lateinamerikanischem Hintergrund, die Kirche. Sie gelten als besonders traditionsbewusst. Aber 63 Prozent der US-Katholiken glaubten, dass die Kirchenposition zu Verhütungsmitteln falsch sei. 58 Prozent befürworteten, dass Frauen Priester werden sollten, so eine in der "US News & World Report" veröffentlichte Umfrage.

Durch Missbrauchsfälle zerrüttet

Gerade als moralische Instanz hat die Kirche in den USA wegen der Sex-Skandale erheblich an Ansehen verloren. Zwar hat sie allein 2007 mehr als 615 Millionen Dollar (401 Millionen Euro) Entschädigung an Missbrauchsopfer gezahlt. Insgesamt haben die Skandale die Kirche rund 1,5 Milliarden Dollar gekostet. Aber auch die rigorose und konsequente Aufarbeitung der Affären hat sie gesellschaftlich kaum aus der Defensive gebracht. "Diese ängstliche Kirche", lästerte jüngst der rechtskonservative TV-Moderator Bill O'Reily.

"Niemand ist mehr in der Kirche tätig, der in einen Skandal verwickelt war", betont Kardinal Francis George. Inzwischen greift nach Angaben der Bischofskonferenz ein umfassendes Vorsorge- und Schutzprogramm, das neue Missbrauchsfälle verhindern soll. Die Kontrolle des innerkirchlichen Lebens sei deutlich gestärkt, die Schulung von Geistlichen und Mitarbeitern intensiviert und die Fürsorge für Opfer verstärkt worden. Das Thema aber wird die Kirche noch lange nicht loslassen: Natürlich werde sich "der Papst wieder für die Vorfälle entschuldigen", versicherte der Kardinal.

Von Laszlo Trankovits, dpa

Quelle: ntv.de

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