Politik

Von der Leyens Rückzieher Lockvogel-Gesetz auf Eis

Fiasko für Ursula von der Leyen: Zwei Tage lang verteidigte die CDU-Familienministerin mit entschlossenen Worten ihren Plan, Minderjährige als Testkäufer im Jugendschutz einzusetzen. Dann der Rückzieher. "Ich will jetzt nichts durchpeitschen, sondern glaube, dass uns eine Atempause hilft, über wirksame Schritte im Jugendschutz zu diskutieren", sagte die Ministerin der "Bild"- Zeitung. Statt eines Kabinettsbeschlusses gibt es demnächst einen "runden Tisch" - die den Entwurf ablehnenden Kinderschutzorganisationen sollten nicht vor den Kopf gestoßen werden.

Begonnen hatten die Schwierigkeiten der Ministerin mit einer Kommunikationspanne. Ein Sprecher bestätigte einen Zeitungsbericht ausdrücklich als im Wesentlichen richtig, nach dem auch Kinder als verdeckte Ermittler eingesetzt werden sollten. Kinder waren aber gar nicht gemeint. Eine staatliche Lizenz zum Kaufen sollten erst Jugendliche ab 14 bekommen, hieß es tags drauf. Und dass der Plan bereits vor Monaten bekannt geworden war, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, half auch nichts mehr.

Im Laden sollten Jugendliche nun also nach Schnaps, Tabak, Gewaltfilmen und Killerspielen fragen. Läuft alles nach den Regeln des Jugendschutzes, müssen die Händler in so einem Fall Ausweis oder Führerschein verlangen - und Minderjährigen verbotene Waren vorenthalten. Erschreckend oft kommen Jugendliche an für sie gefährliche Güter aber ohne größere Umstände heran.

Rasch entbrannte am Wochenende eine heftige Diskussion. Der Kinderschutzbund lehnte den Einsatz von Kindern als verdeckte Ermittler rundheraus ab, das Kinderhilfswerk auch den von Jugendlichen. Heide-Rose Brückner vom Deutschen Kinderhilfswerk: "Als Hilfspolizisten sind uns Kinder und Jugendliche zu schade." Schließlich meldete Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Gesprächsbedarf an.

Die Probleme beim Schnaps-Spitzel-Plan: Ist es moralisch und pädagogisch vertretbar, Jugendliche in einem wichtigen Entwicklungsstadium zu etwas zu bringen, was sie sonst nicht dürfen? Und ist das juristisch handhabbar, können staatlich provozierte Straftaten überhaupt geahndet werden? Unbestritten ist allerdings die Notwendigkeit schärferer Kontrollen - angesichts von beispielsweise zuletzt 3.500 Kindern pro Jahr, die volltrunken ins Krankenhaus kommen. Und: Das Einstiegsalter beim Rauchen liegt bei 11,6 Jahren.

Kommunen in Deutschland und der Schweiz, die mit jugendlichen Ermittlern gegen illegalen Schnapsverkauf vorgingen, hatten durchaus Erfolg. Im Odenwaldkreis konnten Jugendliche oder Kinder in oft beliebigem Umfang Hochprozentiges kaufen, wie Testkäufe ergaben. Nach der Ermittlungsaktion - eingebettet in andere Vorstöße zur Vorsorge - fragen Händler dort öfter nach dem Ausweis.

Im Kanton Zürich bekamen unter 16-Jährige in 216 von 392 Versuchen problemlos Alkoholika. Die Testkäufer mussten die Ergebnisse schriftlich dokumentieren, ein Jugendbetreuer zeichnete gegen. Nach Verwarnungen und Strafen für die Händler gingen die Verfehlungen zurück - auf 30 Prozent.

Viele unmittelbar erfolgsträchtigere Alternativen wurden nicht deutlich. Jugendliche, Händler und Eltern sollten besser aufgeklärt werden, hieß es seitens des Handels. Brückner vom Kinderhilfswerk meinte, in einer Disko oder auf einem Volksfest sollten erwachsene Kontrolleure den Schnapsverkauf im Auge behalten. Im kleinen Läden sei dies aber nicht so einfach.
Von der Leyen verband ihren Rückzug jedenfalls schon mal mit einer deutlichen Warnung: Von dem runden Tisch erwarte sie "konkrete Vorschläge zur Verbesserung des viel zu laschen Jugendschutzes".
Von Basil Wegener, dpa

Quelle: ntv.de

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