Millionenhilfe für den Libanon Macron: "Wird keinen Blankoscheck geben"
04.08.2021, 15:40 Uhr
Vor einem Jahr explodierten 2750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut. Inzwischen leidet der Libanon unter einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen aller Zeiten. Nun haben Frankreich und Deutschland dem Land Hilfe zugesagt, äußern sich aber kritisch gegenüber der Regierung.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat zum Auftakt einer erneuten Hilfskonferenz für den Libanon umfangreiche Unterstützung für die Bevölkerung in Aussicht gestellt. Mit 100 Millionen Euro wolle Frankreich das Bildungs- und Gesundheitssystem sowie den Ernährungs- und Agrarbereich fördern, sagte Macron zum Start der Videokonferenz, zu der Frankreich ein Jahr nach der verheerenden Explosion am Beiruter Hafen eingeladen hatte. Daran sollten auch der deutsche Außenminister Heiko Maas und US-Präsident Joe Biden teilnehmen.
Der libanesischen Politik warf Macron Versagen auf allen Ebenen vor. Reformversprechen und Verpflichtungen seien nicht eingehalten worden, und statt des Gemeinwohls verfolgten die Politiker Privatinteressen. Die Krise des Landes habe sich weiter verschlimmert. "Es wird keinen Blankoscheck für das politische System geben", warnte Macron. Hilfsgelder sollten direkt der Bevölkerung zugutekommen und ihr Einsatz überprüft werden. Die internationale Gemeinschaft stelle sich auf die Seite der Bevölkerung. Aber: "Der Libanon verdient etwas besseres, als von internationaler Hilfe zu leben."
Deutschland sagt 40 Millionen Euro zu
Außenminister Heiko Maas hat auch weitere Hilfen aus Deutschland zugesagt. Zugleich rief er die politischen Akteure in dem Land auf, ihrer Verantwortung nach der Katastrophe gerecht zu werden. "Fehlende Reformen sind auch der Grund, weshalb viele Wunden der Vergangenheit noch immer nicht verheilt sind. Der zerstörte Hafen steht nach wie vor als Symbol hierfür", sagte Maas laut einem vorab verbreiteten Redemanuskript bei der virtuellen Hilfskonferenz.
Kürzlich habe die Weltbank Alarm geschlagen, indem sie die Situation in Libanon eine der schwersten globalen Krisen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts genannt habe. "Ich will ganz offen sein: Diese Krise ist zum Großteil menschengemacht. Die politischen Akteure Libanons sind ihrer Verantwortung und den berechtigten Erwartungen der libanesischen Bevölkerung nicht gerecht geworden", sagte der Außenminister.
Jede weitere Unterstützung - abgesehen von Soforthilfe und Unterstützung für Reformen - werde daher von der Bildung einer funktionierenden, rechtmäßigen Regierung und der Erstellung eines glaubwürdigen Reformprogramms abhängen, sagte Maas. Deutschland sagte weitere 40 Millionen Euro zu, um die Menschen in Libanon, darunter auch syrische Flüchtlinge, zu unterstützen.
Kein Geld für den Wiederaufbau
Mit Blick auf die Aufarbeitung der Explosion forderte Macron von der libanesischen Politik Transparenz und Aufrichtigkeit. Bei der Explosion waren am 4. August 2020 mehr als 190 Menschen getötet und rund 6000 verletzt worden. Große Teile des Hafens und der umliegenden Wohngebiete wurden zerstört. Nach der Katastrophe trat die Regierung des Landes zurück. Sie ist seitdem nur geschäftsführend im Amt.
Der Libanon leidet zudem unter einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise, und es fehlt Geld für den Wiederaufbau. Macron will mit den internationalen Partnern Unterstützung für die Bevölkerung des krisengeplagten Landes bereitstellen. Man gehe davon aus, dass etwa 300 Millionen Euro gebraucht werden, hieß es aus Kreisen des Élysée-Palasts.
Quelle: ntv.de, cls/dpa