Politik

Ukraine-Talk bei Maischberger "Putin wird nicht satt sein"

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Marieluise Beck, Sahra Wagenknecht und Sandra Maischberger (v. l. n. r.) in der Diskussion.

Marieluise Beck, Sahra Wagenknecht und Sandra Maischberger (v. l. n. r.) in der Diskussion.

Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist wieder in einer Talkshow, dieses Mal zu Gast bei Maischberger. Mit ihrer Vorhersage, die russische Armee werde nicht in die Ukraine einmarschieren, habe sie sich geirrt, sagt sie. Doch die meisten ihrer Vorkriegsstereotypen sind geblieben.

Es ist der 20. Februar 2022. Die Welt ist schon nicht mehr in Ordnung. Der russische Präsident Wladimir Putin verspricht in Moskau, russische Soldaten von der ukrainischen Grenze abzuziehen und nicht in das Land einzumarschieren. US-Präsident Joe Biden glaubt ihm nicht. Baltische Staaten fordern eine Erweiterung der Sanktionen gegen Russland, die die Europäische Union bereits 2014 verhängt hat. Andere Länder diskutieren den Eintritt der Ukraine in die EU. Diplomatische Versuche, einen Krieg in der Ukraine zu verhindern, scheitern.

In der Sendung Anne Will warnt SPD-Chef Lars Klingbeil Russland im Falle eines Einmarschs in die Ukraine vor harten Sanktionen. Und die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sagt: Russland hätte schon vorher genug Gründe gehabt, in die Ukraine einzumarschieren. Sie fordert den Abbau von westlichen Raketenbasen nahe der russischen Grenze. Und sie ist sich hundertprozentig sicher: Russland habe faktisch kein Interesse, in die Ukraine einzumarschieren.

Vier Tage später, am 24. Februar, wachen die Menschen in Europa in einer neuen Welt auf. Der russische Präsident hat sein Versprechen gebrochen, das er vier Tage zuvor gegeben hatte. Russische Soldaten greifen die Ukraine an, wollen das Land in einem etwa zwei Tage währenden Blitzkrieg besetzen. Doch Russland scheitert. Die Menschen in der Ukraine wehren sich noch immer. Die meisten Parteien in Deutschland ändern ihre Politik. Und die Linke? Sie streitet sich innerparteilich, im Bundestag ist sie vergangene Woche die einzige Fraktion, die geschlossen gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine stimmt.

Nun sitzt Wagenknecht in der Sendung Maischberger im Ersten, die jetzt zweimal in der Woche läuft. Am Dienstagabend diskutiert sie mit Marieluise Beck von den Grünen. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete hat eine Stiftung gegründet, die sich mit osteuropäischer Politik beschäftigt und jegliche deutsche Hilfe befürwortet, die die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen den russischen Aggressor unterstützt.

"Dürfen uns nicht in Atomkrieg hineinziehen lassen"

Sie habe sich damals bei Anne Will geirrt, gibt Wagenknecht heute zu. Und sie sagt: "Ich habe gelernt, dass Putin jemand ist, der zu gefährlichen Kurzschlüssen neigt, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlt. Das müssen wir ernst nehmen." Was das für den Westen bedeutet, sei ihr auch klar: Keine schweren Waffen liefern, den Krieg in der Ukraine mit Diplomatie beenden. Sie schlägt Gespräche zwischen Deutschland, Frankreich und Russland vor. Marieluise Beck will es genau wissen und fragt, ob die Ukraine bei solchen Gesprächen außen vor bleiben solle. "Ja", antwortet Wagenknecht. "Der Krieg betrifft uns auch. Und wenn die Ukraine das (die Verhandlungen, Anm. der Redaktion) nicht will, dann können wir uns doch nicht in einen atomaren Krieg hineinziehen lassen."

Bei den Verhandlungen müsse es um die Neutralität der Ukraine gehen. Die habe der ukrainische Präsident Selenskyj dem russischen Präsidenten doch angeboten, kontert Beck. Nach einigem Zögern sieht das Wagenknecht auch so, aber Selenskyj habe das gar nicht ernst gemeint. Und nachdem der britische Premierminister Boris Johnson und US-Präsident Biden sich dagegen ausgesprochen hätten, sei das Thema wieder vom Tisch gewesen. Die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine nennt Wagenknecht "unverantwortlich". Denn: "Das bedeutet für die Ukraine noch mehr Opfer, noch mehr Zerstörung, noch mehr Leid." Deutschland habe sich in die amerikanische Strategie hineinziehen lassen.

Was die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine angeht, ist Beck ganz anderer Meinung. "Es ist nicht so, dass Waffen immer nur töten, Waffen können auch schützen", meint die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen. So werde die ukrainische Stadt Charkiw von russischen Truppen ständig beschossen. Gelänge es, diese Waffen und diese Armee durch den Einsatz von Waffen unschädlich zu machen, würden die Zivilisten geschützt werden. "Und das müssen wir doch gelernt haben, dass es Regime gibt, die so böse und so aggressiv sind, dass sie mit Waffen niedergekämpft werden müssen", sagt Beck. Da ist sie bei Wagenknecht an die Falsche geraten. "Wenn die Ukraine mehr Waffen hat, werden auch die Russen mehr Waffen einsetzen", kontert sie. Und dann kommen sie, die alten Stereotypen.

"Niemand hat Kapitulation Russlands gefordert"

Es sei ein verbrecherischer Krieg, gibt sie zu. Aber immerhin sei ja die NATO mit ihrer Ausdehnung nach Osteuropa nicht ganz unschuldig daran, suggeriert sie. Dabei vergisst sie, dass sich nicht die NATO ausgedehnt hat, sondern vielmehr von ihren heutigen osteuropäischen Mitgliedsstaaten eingeladen wurde. Nun planten auch Finnland und Schweden den NATO-Beitritt, sagt Beck während des Streits mit Wagenknecht. Das kann die nun gar nicht gut heißen: "So eskalieren wir immer weiter. Putin hat angekündigt, er wolle in diesem Fall Atomraketen in der russischen Stadt Kaliningrad stationieren." "Bestimmt jetzt Putin, was diese Länder machen und was nicht?" kontert Beck. Übrigens: Die Raketen in Kaliningrad gibt es schon. Das hat der Kreml im Mai 2018 bestätigt.

Putins Aussage, dass es die Ukraine eigentlich nicht gäbe, ignoriert Wagenknecht genauso wie dessen Bedrohung weiterer Länder. Dazu sei Russlands Armee nicht in der Lage, meint sie. Von Kriegsverbrechen oder einem völkerrechtswidrigen Krieg mag sie auch nicht sprechen. Und die Tatsache, dass Russland die Ukraine angegriffen hat und nicht umgekehrt, scheint ihr auch kurz entfallen zu sein, als sie Sätze sagt wie: "In diesem Krieg finden furchtbare Dinge statt – auf beiden Seiten." Und etwas später: "Die Amerikaner sagen, sie wollen mit diesem Krieg Russland massiv schwächen. Das Ziel ist gar nicht ein schnelles Kriegsende, sondern mit vielen dauernden Waffenlieferungen den Krieg anzuheizen und in Kauf zu nehmen, das die Menschen dort sterben." Da muss Beck einlenken: Niemand habe die Kapitulation Russlands gefordert. "Russland soll sich aus diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und aus der Ukraine zurückziehen."

Am Ende des Streitgesprächs appelliert Marieluise Beck sehr deutlich, die Ukraine weiter zu unterstützen. "Wenn die Ukrainer sich entscheiden, frei zu leben und keine Kolonie von Russland zu sein, dann haben wir das zu akzeptieren. Wir dürfen Putin nicht geben, was er will. Er wird danach nicht satt sein."

(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 04. Mai 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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