Politik

Tote und Dutzende Festnahmen Massenproteste in Ägypten dauern an

Für ihren gestürzten Präsidenten gehen Zehntausende Mursi-Anhänger auf die Straße.

Für ihren gestürzten Präsidenten gehen Zehntausende Mursi-Anhänger auf die Straße.

(Foto: REUTERS)

Ägypten kommt nicht zur Ruhe, die Krawalle gehen weiter. Erstmals seit dem Umsturz reist ein hoher Beamter der US-Regierung nach Kairo. Die Mission stärkt den neuen Machthabern den Rücken, ist aber nicht unproblematisch.

Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi und der Polizei sind in Kairo erneut mehrere Menschen ums Leben gekommen. Zehntausende Anhänger der Muslimbruderschaft waren zum in Kairo und anderen Städten des Landes gegen die Übergangsregierung auf die Straße gegangen.

Starke Polizeiaufgebote verhinderten in der Hauptstadt Kairo, dass die Anhänger des Islamisten Mursi wichtige Verkehrsnotenpunkte besetzten. Bei den Krawallen wurden in ganz Kairo nach ersten Angaben des ägyptischen Ambulanzdiensts 7 Menschen getötet und 261 weitere verletzt. 401 Menschen wurden festgenommen.

Die Bewegung der Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, will ihre Anhänger so lange demonstrieren lassen, bis der gestürzte Präsident wieder im Amt ist. In einem Protestcamp im Osten von Kairo haben tausende Mursi-Anhänger ihre Zelte aufgeschlagen.

USA fordern "gewisse demokratische Prinzipien"

Die heftigsten Auseinandersetzungen spielten sich im Umkreis der 6.Oktober-Brücke ab, berichtete die Tageszeitung "Al-Ahram". Mursi-Anhänger hatten die Brücke, die über den Nil führt, mit Lastwagen und brennenden Autoreifen blockiert. Die Polizei ging mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Diese warfen Steine auf die Sicherheitskräfte. Noch vor Mitternacht war die Brücke geräumt und wieder für den Verkehr geöffnet. Rund 40 Personen wurden dort nach Medienangaben festgenommen.

Indes traf mit dem stellvertretenden US-Außenminister William Burns erstmals seit dem Umsturz am 3. Juli ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung in Kairo ein. Burns rief die Akteure in dem tief gespaltenen Land zu Dialog und Gewaltverzicht auf.

"Wir werden nicht versuchen, irgendein Modell aufzuzwingen", erklärte Burns nach seinen ersten Gesprächen in der ägyptischen Hauptstadt. Washington lege aber Wert auf "gewisse demokratische Prinzipien". Der US-Emissär war zuvor mit den Spitzen der Übergangsregierung in Kairo zusammengetroffen. Unter ihnen waren Übergangspräsident Adli Mansur, Ministerpräsident Hasem al-Beblawi sowie Militärchef Abdel Fattah al-Sisi, der eigentlich starke Mann im ägyptischen Machtgefüge.

Vermögen führender Muslimbrüder eingefroren

Die USA verlangen - wie Deutschland - die Freilassung Mursis. Dieser wird seit seiner Entmachtung vom Militär an einem unbekannten Ort und ohne formelle Anklage festgehalten. Zunächst war nicht bekannt, ob Burns in seinen Gesprächen den Verbleib Mursis ansprach und wie seine ägyptischen Gesprächspartner darauf reagierten. Eine für die Mittagsstunden angesetzte Pressekonferenz wurde abgesagt. Stattdessen verlas Burns seine Erklärung.

Die USA unterstützen Ägypten mit jährlichen Hilfen in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar. Davon sind 1,3 Milliarden Dollar für das Militär bestimmt. Diese Zahlungen müssten nach US-Rechtslage eingestellt werden, falls Washington den Umsturz als Militärputsch einstuft.

Am Wochenende hatte die ägyptische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Mursi wegen des Vorwurfs der Spionage aufgenommen. Zugleich wurden die Vermögen von 14 führenden Kadern der Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, eingefroren. Ihnen wird unter anderem der Aufruf zur Gewalt vorgeworfen.

Neue Gewalt auf der Sinai-Halbinsel

In Kairo versammelte die Muslimbruderschaft ihre Anhänger in ihrem Protestcamp vor der Raba-al-Adawija-Moschee in Nasr City. Die Mursi-Gegner versammelten sich auf dem zentralen Tahrir-Platz sowie beim Präsidentenpalast, der nur wenige Kilometer vom Kundgebungsort der Islamisten entfernt ist.

Gehad al-Haddad, der Sprecher der Muslimbruderschaft, kritisierte am Rande der Kundgebung in Nasr City den Besuch des US-Diplomaten Burns. "Jahrelang verkünden die USA in der Region die Prinzipien der Demokratie", erklärte er im Fernsehsender Al Jazeera International. "Doch beim ersten Test versagen sie", meinte er mit Blick auf die Absetzung des gewählten Präsidenten Mursi und die zurückhaltenden Reaktionen Washingtons darauf.

Auf der Sinai-Halbinsel dauern indes die Angriffe auf Armee und Polizei an. In der Nacht zum Montag attackierten Extremisten mit einer Panzerfaust einen Bus, in dem zivile Arbeiter einer Zementfabrik saßen, die zum Firmenimperium der Armee gehört. Drei Menschen wurden nach Krankenhausangaben in Al-Arisch getötet und 15 weitere verletzt. Bei einem bewaffneten Angriff auf den Rohbau einer Polizeiwache im Bezirk Al-Kasima wurden zudem ein 17-Jähriger getötet und ein Zwölfjähriger verletzt.

Islamistische Milizen und kriminelle Banden tummeln sich seit den arabischen Aufständen und dem Sturz von Langzeitmachthaber Husni Mubarak im Februar 2011 im Norden der Sinai-Halbinsel. Immer wieder gibt es Angriffe auf ägyptische Sicherheitskräfte. Seit der Entmachtung Mursis nehmen diese weiter zu.

Quelle: ntv.de, dpa

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