Merkel in Russland Medwedew wirbt um Deutschland
15.07.2010, 13:53 Uhr
Merkel und Medwedew in Jekaterinburg.
(Foto: dpa)

Vor allem ging es um Wirtschaft: Merkel mit Medwedew und Wirtschaftsminister Brüderle (links).
(Foto: dpa)
Kanzlerin Merkel in Russland: Es geht um Menschenrechte und um wirtschaftliche Beziehungen. Präsident Medwedew verkündet, dass der Mörder der Menschenrechtlerin Estemirowa bekannt sei. Zugleich lädt er deutsche Firmen nach Russland ein - und macht deutlich, dass russische Firmen sich gern stärker in Deutschland engagieren würden.
Den Behörden in Russland ist nach Angaben von Staatschef Dmitri Medwedew der Mörder der vor einem Jahr getöteten Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirowa bekannt. Der Täter sei "genau identifiziert", sagte Medwedew in Jekaterinburg auf einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ohne jedoch einen Namen zu nennen. Merkel hatte zuvor erneut eine rasche Aufklärung des Falls gefordert.
Der Täter werde nun international gesucht, sagte Medwedew. Es laufe zudem eine Untersuchung, um den Auftraggeber zu ermitteln. Estemirowa war am 15. Juli 2009 in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny verschleppt und wenig später ermordet aufgefunden worden. Der Fall hatte international für Empörung gesorgt. Wegen der schleppenden Aufklärung äußerten Freunde und Kollegen Estemirowas die Befürchtung, dass die Tat wie vorherige Morde an russischen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten ohne Aufklärung bleiben würde.
Die Ermittlungen liefen "unter Hochdruck", versicherte Medwedew. "Aber in diesen Fällen gibt es keine schnellen Resultate, wenn der Täter nicht bei der Tat gefasst wird", sagte der russische Staatschef zu den bisher ausgebliebenen Erfolgen der russischen Justiz in dem Fall.
Kurz zuvor hatte Merkel erneut die rasche Aufklärung des Mordes gefordert. "Es ist wichtig, an dieser Stelle weiter an der Aufklärung zu arbeiten", sagte sie nach ihrem Treffen mit Medwedew aus Anlass der deutsch-russischen Regierungskonsultationen. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte Moskau zur Aufklärung der Tat auf.
Medwedew lädt deutsche Firmen ein
Merkel wird auf ihrer Reise von einer großen Wirtschaftsdelegation begleitet. Medwedew rief deutsche Unternehmen zur Unterstützung im Bemühen um die Modernisierung der russischen Wirtschaft auf: "Ich hoffe sehr, dass deutsche Firmen, die auf diesem Gebiet große Erfahrungen haben, sich daran beteiligen werden." Angesichts der "strategischen Partnerschaft auf wirtschaftlichem Gebiet" sehe er gute Perspektiven, sagte Medwedew und forderte deutsche Unternehmen zu Beteiligungen an Firmen in Russland auf. "Deutschland ist unser Schlüsselland", sagte Medwedew.
Medwedew klagte aber auch über ein Missverhältnis bei den gegenseitigen Investitionen. Russische Firmen seien daran interessiert, sich an deutschen Technologie-Unternehmen zu beteiligen. "Selbstverständlich haben wir den Wunsch und auch das Geld dafür." Hintergrund ist der missglückte Einstieg russischer Investoren etwa bei Opel oder zuletzt bei Karstadt und Infineon. Auch Merkel betonte, dass russische Investitionen erwünscht seien und die Wirtschaftsbeziehungen nicht nur in eine Richtung gehen dürften: "Wir haben darüber gesprochen, dass es gut wäre, ein paar Leuchttürme zu haben, um zu zeigen, dass die Beziehungen keine Einbahnstraße sind." Zudem werde gezielt nach Kooperationsmöglichkeiten in der IT-Branche gesucht.
Merkel mahnte sowohl in den Gesprächen mit Medwedew als auch öffentlich rechtsstaatliche Reformen in Russland an. "Es gibt einen fast unauslöschlichen Zusammenhang zwischen der Modernisierung der Wirtschaft und der Demokratisierung der Zivilgesellschaft", sagte sie beim Petersburger Dialog, einem deutsch-russischen Forum der Zivilgesellschaften.
Milliarden-Aufträge für Siemens
Der deutsche Technologiekonzern Siemens brachte am Rande des Treffens in Jekaterinburg Aufträge in Milliardenhöhe auf den Weg. Siemens-Vorstandschef Peter Löscher unterzeichnete nach Angaben des Konzerns Absichtserklärungen über die Lieferung von Windkraft- und Bahntechnik. Siemens soll demnach bis 2026 zahlreiche Rangierbahnhöfe modernisieren sowie in den kommenden zehn Jahren 240 Regionalzüge an die Russische Eisenbahn AG (RZD) liefern.
Zudem will Siemens bis zum Jahr 2015 Windturbinen in Russland installieren. Zusammen mit zwei russischen Unternehmen will der Konzern das Joint Venture "Wind Energy" gründen, an dem Siemens die Mehrheit halten wird. Siemens zufolge sollen in den kommenden fünf Jahren Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 250 bis 500 Megawatt pro Jahr installiert werden.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP