Reform der Geheimdienstkontrolle Mehr Befugnisse gefordert
10.04.2008, 21:10 UhrDie Union will mit neuen Ermittlungsbefugnissen und Sanktionsmöglichkeiten die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste verbessern. Die Bundesregierung dürfe dem zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) Informationen über Vorkommnisse von besonderer Bedeutung nicht mehr vorenthalten und erst nach Medienveröffentlichungen geben, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), in Berlin.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Zahl der in die Libyen-Affäre verstrickten nordrhein-westfälischen Polizisten höher als bislang angenommen ist. Neben den bereits bekannten acht Fällen könnten weitere drei aktive und drei frühere Polizisten betroffen sein, berichtete das Innenministerium in Düsseldorf dem Innenausschuss des Landtags. Teilweise hätten sich die Beamten krankgemeldet, um für ihren ungenehmigten Nebenjob als Polizei-Ausbilder nach Libyen zu fliegen.
BND nur als Beobachter
Keiner der Beamten habe die Nebentätigkeit beantragt. Neben Bundeswehr und Bundespolizei sei von den Landes-Polizeibehörden nur noch Baden-Württemberg betroffen. In dem Libyen-Fall war zuvor über eine Verstrickung des Bundesnachrichtendienstes BND spekuliert worden. Im PKG war aber am Mittwoch festgestellt worden, dass der BND nur beobachtet hat.
Röttgen sagte zur Stärkung des Parlamentarischen Kontrollgremiums: "Es darf nicht Einzelfälle geben, die hätten berichtet werden müssen, sobald sie vorlagen." Das sei nach fraktionsübergreifender Ansicht im geheim tagenden PKG immer wieder vorgekommen. Ein Gesetzesentwurf der Unionsfraktion dazu sei der SPD, der Regierung und der FDP bereits vorgestellt worden.
Mehr Befugnisse
Der Entwurf sieht neue staatsanwaltschaftliche Befugnisse des PKG gegenüber Behörden vor. Rechte auf Aktenherausgabe, auf Datenübermittlung und Amtshilfe etwa von Staatsanwaltschaften sind geplant. "Das ist eine substanzielle und notwendige Erweiterung der Informationsrechte." Angehörige von Nachrichtendiensten sollen als Zeugen unter Eid vernommen werden können. Falschaussagen könnten dann bestraft werden, so Röttgen.
Als "wirksamstes Instrument" gegen Pflichtverletzungen zur rechtzeitigen Information bezeichnete Röttgen eine geplante Information von Bundestag und Öffentlichkeit über die Bewertung solcher Fälle. Auch vor Gericht sollten die Kontrolleure im Bundestag im Streitfall zu ihrem Recht kommen können.
Nach dem Willen von PKG-Mitglied Bernd Schmidbauer (CDU), früher Geheimdienst-Koordinator, sollten auch Falschaussagen von Mitgliedern der Bundesregierung bestraft werden können. Hier Unterschiede zwischen nachgeordneten und Aufsichtsbehörden zu machen, sei wenig sinnvoll. "Das wird einer der schwierigsten Punkte werden, hier Einvernehmen zu erreichen", räumte Schmidbauer ein.
Ständiger Beauftragter
F ür mehr Kontinuität im normalerweise einmal pro Monat tagenden PKG soll das Gremium laut Entwurf auch "einen ständigen Beauftragten" als Unterstützer bestellen können. Das PKG habe mit einem zeitweiligen Sachverständigen, Bundesrichter Gerhard Schäfer, gute Erfahrungen gemacht, sagte Röttgen. Einen Geheimdienstbeauftragten solle es nicht geben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, warnte vor der Einsetzung eines Beauftragten. So entstehe der Eindruck, das Parlament wolle sich der Kontrolle entledigen, sagte er.
Schmidbauer will mit mehr Offenheit auch einem "Trend zum Untersuchungsausschuss" entgegenwirken. Es sei ein Ausdruck von Hilflosigkeit, wenn die FDP im Fall der Polizeiausbildung in Libyen einen solchen Ausschuss fordere. Im PKG sei klar geworden, dass es sich weder um eine Affäre noch um einen Skandal gehandelt habe. Untersuchungsausschüsse drohten durch ihre "langatmigen Sitzungen" Vertrauen zu verspielen. Linksfraktionsvize Wolfgang Neskovic kritisierte, "die dringend notwendige Stärkung von Minderheitenrechten im Gremium" finde sich in den Vorschlägen nicht.
Regierung unterstützt Reform
Kanzleramtschef Thomas de Maizire (CDU) ist nach eigenen Worten "offen" für eine bessere Kontrolle der Nachrichtendienste. Die Regierung werde sich an der Reform beteiligen, sagte er der in Essen erscheinenden "Neuen Ruhr/Rhein Zeitung". "Ein verändertes Gesetz sollte in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden." Die "vitalen Interessen" der Nachrichtendienste nach Funktionsfähigkeit und Wahrung des Geheimschutzes müssten berücksichtigt werden.
Quelle: ntv.de