"Transparenz jetzt oberstes Gebot" Mehr Krebs rund um Asse
26.11.2010, 04:26 UhrSeit mehr als einem Jahr versucht der Asse-Ausschuss, Schlampereien rund um das einsturzgefährdete alte Salzbergwerk aufzuklären. Während Jürgen Rüttgers sich im Zeugenstand kaum an etwas erinnern kann, sorgen zahlreiche Krebsfälle im Umfeld des maroden Atommüllendlagers für Unruhe.

Im Schatten der Asse ist die Gefahr, an Krebs zu erkranken, deutlich erhöht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Umfeld des maroden Atomendlagers Asse bei Wolfenbüttel ist eine erhöhte Zahl von Leukämie-Fällen festgestellt worden. Dies teilte das niedersächsische Umweltministerium in Hannover auf Anfrage mit und bestätigte damit einen Bericht des NDR. Ministeriumssprecher Thomas Spieker sagte, Auswertungsergebnisse des Epidemiologischen Krebsregisters des Landes hätten Hinweise auf ein gehäuftes Auftreten von Leukämie-Erkrankungen insbesondere bei Männern ergeben.
"Eine Ursache dafür kann bisher nicht festgestellt werden", sagte Spieker. Die Auswertung sei noch nicht abgeschlossen: "Wir wissen daher noch nicht, welchen Einfluss zum Beispiel Lebensalter und Berufstätigkeit auf Erkrankungen haben".
Der Sprecher des Ministeriums versicherte, Transparenz sei jetzt "oberstes Gebot". Die Landesregierung werde den Landkreis bei einer "zügigen und ergebnisoffenen Ursachenabklärung unterstützen". Der Landkreis Wolfenbüttel habe bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet unter Einbeziehung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) und des Landesgesundheitsamtes. Nach Angaben des Sprechers ist die Erkrankungshäufigkeit für Leukämie bei Männern im Umfeld des Lagers Asse doppelt so hoch wie üblich, bei Frauen gebe es dagegen nur eine "nicht signifikante Erhöhung". Dagegen sei die Erkrankungsrate für Schilddrüsenkrebs bei Frauen verdreifacht.
In dem maroden ehemaligen Salzbergwerk Asse sind zwischen 1967 und 1978 rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelaktivem Atommüll eingelagert worden. Der Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz, plant wegen Wassereinbrüchen und Einsturzgefahr derzeit, das komplette Lager zu räumen.
Große Erinnerungslücken

Jürgen Rüttgers war von 1994 bis 1998 als Bundesforschungsminister mit den Abläufen in der Asse betraut.
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Unterdessen hat die Befragung des ehemaligen Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) als Zeuge im Asse-Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags keine neuen Erkenntnisse gebracht. Rüttgers konnte sich nur noch rudimentär daran erinnern, was in seiner Amtszeit im Atommülllager Asse passiert ist. "Die Vorgänge sind zwischen 12 und 16 Jahren her", sagte Rüttgers.
Insgesamt sei er nur drei Mal mit Vorgängen aus der Asse befasst gewesen, sagte Rüttgers. Er konnte sich auch nicht daran erinnern, ob er bei seinem Amtsantritt 1994 über die Existenz der 126.000 Fässer in der maroden Schachtanlage informiert wurde. "Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass ich heute hier als Zeuge geladen bin und nicht als Beschuldigter", sagte Rüttgers. Der CDU-Politiker war von November 1994 bis Oktober 1998 als Bundesforschungsminister mit dem Atommülllager befasst.
"Jetzt muss Frau Merkel liefern"
Bereits im Vorfeld der Vernehmung von Rüttgers hatten sich die Mitglieder des Asse-Ausschusses im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung einstimmig darauf geeinigt, das Bundeskanzleramt in Berlin auf die Herausgabe von Akten zur Asse zu verklagen. Das Kanzleramt verweigert die Vorlage von Akten seit einem Jahr.
Der Landtag wird die entsprechenden Schreiben für eine Klage jetzt vorbereiten. Hintergrund für die Entscheidung ist ein Gutachten des Braunschweiger Staatsrechtlers Prof. Edmund Brandt. Er hatte im Auftrag der Landtags-Grünen in seiner Expertise festgestellt, dass das Kanzleramt die Arbeit des Untersuchungsausschusses behindert. "Jetzt muss Frau Merkel liefern", sagte Stefan Wenzel, Fraktionschef der Grünen.
Der Asse-Ausschuss versucht seit mehr als einem Jahr, Versäumnisse und Schlampereien rund um das einsturzgefährdete alte Salzbergwerk in Wolfenbüttel aufzuklären. In der Schachtanlage lagern 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll. Der Ausschuss hatte zuletzt im August Akten zum Atommülllager Asse angefordert. Trotz mehrfacher Aufforderung hat das Kanzleramt aber bisher nur einen kleinen Aktenbestand übermittelt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP