Dutzende Anschläge und Angriffe Mehr als 100 Tote im Irak
23.07.2012, 17:09 Uhr
Im schiitischen Sadr-City in Bagdad explodierten Autobomben.
(Foto: dpa)
Mit 27 Anschlägen in 18 Städten erlebt der Irak den blutigsten Tag seit mehr als zwei Jahren. Mehr als 100 Menschen kommen ums Leben, mehr als 250 werden verletzt. Ziel der Angriffe sind vor allem von Schiiten bewohnte Viertel. Die Behörden machen Al-Kaida für die Taten verantwortlich. Die Grupp wolle einen Glaubenskrieg anzetteln, heißt es.
Bei erneuten schweren Angriffen auf Schiiten-Viertel im Irak sind mindestens 107 Menschen ums Leben gekommen. 268 Menschen wurden zudem durch mehrere Bombenanschläge und Schießereien in verschiedenen Landesteilen nach Angaben von Polizisten und Ärzten verletzt. Damit setzte sich die Welle von Angriffen fort, die nach einer Zeit der relativen Ruhe am Wochenende mit dem Anfang des Fastenmonats Ramadan begonnen hatte.
Insgesamt wurden 27 Anschläge in 18 Städten verübt - es war der blutigste Tag im Irak seit mehr als zwei Jahren. Aus Sicherheitskreisen verlautete, die sunnitische Al-Kaida versuche einen Bürgerkrieg zwischen den Bevölkerungsgruppen zu provozieren. Bereits am Sonntag waren bei Anschlägen in mehreren Landesteilen 20 Menschen getötet worden.
In Tadschi 20 Kilometer nördlich von Bagdad detonierten sechs Sprengsätze in der Nähe eines Wohnkomplexes. Eine siebte Explosion traf die Polizisten, die zum Ort des Angriffs eilten. Allein nördlich der Hauptstadt wurden eine ganze Reihe von Ortschaften getroffen: Chan Bani Saad, Tus Churmato, Samarra und Duschail.
Al-Kaida verantwortlich gemacht
Weitere Detonationen wurden aus Schiiten-Vierteln in Bagdad gemeldet. In Kirkuk im Norden des Landes explodierten fünf Autobomben. In der Unruheprovinz Dijala griffen Unbekannte mehrere Sicherheitsposten an. Am Sonntag war auch die den Schiiten heilige Stadt Nadschaf Ziel eines Anschlags gewesen.
Zu den Angriffen bekannte sich zunächst niemand. In irakischen Sicherheitskreisen wurde Al-Kaida verantwortlich gemacht. Die Angriffe zeigten, dass die Gruppe einen Glaubenskrieg auslösen wolle. "Al-Kaida versucht, den Irak an den Rand eines Krieges zwischen Schiiten und Sunniten zu treiben", hieß es. "Sie wollen, dass die Lage so schlimm wird wie in Syrien." Die meisten Iraker sind Schiiten. Die große Wüstenprovinz Anbar wird allerdings mehrheitlich von Sunniten bewohnt und grenzt an Syrien.
Der Ramadan hatte im Irak am Samstag begonnen. Die zwei Wochen davor waren vergleichsweise friedlich verlaufen, während im Juni 237 Menschen bei Anschlägen starben. Damit hat die Gewalt im Irak im Vergleich zum Höhepunkt der Kämpfe zwischen den verschiedenen Volksgruppen 2006 bis 2007 zwar abgenommen. Seit dem Abzug der US-Kampftruppen im Dezember blieb die Spannung jedoch hoch. Dazu kommt der anhaltende politische Streit zwischen den schiitischen, sunnitischen und kurdischen Gruppen im Land.
UN-Gesandter spricht von "zentrifugalen Kräften"
Bundesaußenminister Guido Westerwelle verurteilte die Anschlagsserie. Ziel der "durch nichts zu rechtfertigenden Bluttaten ist es, die Stabilisierung und wirtschaftliche Entwicklung" im Irak zu untergraben, erklärte Westerwelle in Berlin. Es dürfe nicht gelingen, die in den vergangenen Monaten erzielten Erfolge bei der Stabilisierung der Sicherheitslage zunichte zu machen. Unschuldige zu töten sei "erbärmlich", sagte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland in Washington. Die Angriffe seien umso verwerflicher, als dass sie inmitten des "heiligen Fastenmonats Ramadan" verübt worden seien, fügte sie hinzu.
Der UN-Sondergesandte für den Irak, Martin Kobler, sah das Land trotz der Anschlagsserie nicht auseinanderfallen. Es gebe allerdings "zentrifugale Tendenzen", und es sei nicht ausgeschlossen, dass sich sunnitische Provinzen nach dem Beispiel Kurdistans für autonom erklärten, sagte Kobler in Berlin. Die Gewalt im Irak sei im Übrigen gegenüber früher zurückgegangen, auch wenn "jeder Tote einer zu viel" sei.
Der Leiter der UN-Unterstützungsmission für den Irak (UNAMI) fügte hinzu, die nach wie vor schwierige Sicherheitslage in dem Zweistrom-Land werde von den dortigen Akteuren weiterhin für "politische Grabenkämpfe" entlang ethnischer und religiöser Linien genutzt. Aufgrund der innenpolitischen Blockade sei das Gesetz zur Aufteilung der Öl- und Gasressourcen nach sieben Jahren immer noch nicht verabschiedet. Viele Menschen müssten weiterhin ohne Strom und fließendes Wasser auskommen. Die Arbeitslosigkeit, insbesondere bei Frauen, sei hoch. Die UNAMI zählt gut 1500 Mitarbeiter und unterhält Büros in Bagdad, Basra, Erbil und Kirkuk. Sie koordiniert die Aktivitäten von 20 UN-Organisationen, Programmen und Fonds.
Quelle: ntv.de, che/AFP