Weder jetzt noch später Merkel gegen Steuersenkungen
29.10.2010, 18:16 Uhr
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Bundeskanzlerin Merkel erteilt allen Forderungen nach Steuersenkungen eine klare Absage. Angesichts des gigantischen Schuldenbergs gebe es derzeit keine Spielräume. Und selbst wenn, will Merkel mit dem Geld lieber die klammen Kommunen entlasten. Städte und Gemeinden erwarten für dieses Jahr ein Rekorddefizit.
Trotz guter Konjunktur und entgegen der Wünsche ihrer Koalitionspartner will Bundeskanzlerin Angela Merkel im Moment keine Steuern senken. Sie sehe "derzeit weiterhin keine Spielräume für Steuersenkungen", sagte sie in einem Interview mit dem "Spiegel". Merkel fügte zur Begründung hinzu: "Wir haben die Pflicht, gesetzlich und moralisch, erst einmal unsere immer noch gewaltigen Schulden abzubauen."
CSU und FDP fordern spätestens ab 2012 deutliche Steuerentlastungen. Die sind für Merkel allerdings nachrangig, selbst wenn es finanzielle Spielräume geben sollte. "Wenn wir also an einer Stelle noch etwas tun könnten und Spielräume hätten, wäre für mich die dringlichste Frage, wie wir den Städten und Gemeinden helfen, die jetzt so knapp dran sind."
CDU-Politiker machen Druck
Auch mehrere CDU-Ministerpräsidenten warnen im "Spiegel" vor Steuersenkungen. Niedersachsens Regierungschef David McAllister sagte: "Einnahmeausfälle durch Steuersenkungen können die Länder nicht schultern." Ähnlich äußerten sich auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus.
Dagegen wollen Mittelstandspolitiker Merkel auf dem CDU-Parteitag in gut zwei Wochen über einen Antrag zur Steuerentlastung im Umfang von rund zwei Milliarden Euro abstimmen lassen.
Vereinfachung finanzierbar

Wirtschaftsminister Brüderle hat sich mit Finanzminister Schäuble wohl auf Steuervereinfachungen einigen können.
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Die Regierung liebäugelt aber statt Steuersenkungen offenbar mit Vereinfachungen. Durch ein einfacheres Steuerrecht könnten Bürger, Betriebe und Verwaltung jährlich um insgesamt 4,8 Milliarden Euro Bürokratiekosten entlastet werden. Zu diesem Ergebnis ist nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zusammen mit anderen Experten gekommen. "Das vom ZEW erstellte Gutachten enthält sinnvolle Ansatzpunkte für Steuervereinfachungen", erklärte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Die Studie war vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben und vom Finanzministerium begleitet worden. Dabei seien 18 Einzelmaßnahmen untersucht worden.
Bei deren Umsetzung würden Unternehmen nach Angaben des Ministeriums um 3,3 Milliarden Euro entlastet. Insbesondere kleine und mittlere Firmen würden profitieren. Für private Haushalte ergäben sich Einsparungen von 1,2 Milliarden Euro und für die Finanzverwaltung von nahezu 300 Millionen Euro.
Kommunen ächzen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bot bei der angestrebten Steuervereinfachung Ländern und Kommunen an, dass der Bund die damit verbundenen Einnahmeausfälle von voraussichtlich 500 Millionen Euro im Jahr allein schultert und voll kompensiert. Mit seinem Angebot beugt Schäuble möglichen Widerständen der Länder im Bundesrat vor. Dort hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr. Die von Union und FDP geplanten Maßnahmen zur Steuervereinfachung sollen zum 1. Januar 2012 in Kraft treten.
Trotz Wirtschaftsaufschwungs und sprudelnder Steuerquellen erwarten die Kommunen für dieses Jahr ein Rekorddefizit. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik werde die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben ein zweistelliger Milliardenbetrag sein, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft forderte deshalb vom Bund schnelle finanzielle Hilfe für die Kommunen. So müsse der Bund einen höheren Anteil an den Sozialkosten übernehmen, sagte sie in einer Sondersitzung des Düsseldorfer Landtags. In NRW können die finanziell angeschlagenen Kommunen mit Hilfe des Landes rechnen. In einer Sondersitzung sprach sich der Landtag mit den Stimmen von SPD, Grünen und CDU dafür aus, Städten und Gemeinden jährlich mit mindestens 300 bis 400 Millionen Euro beim Abbau ihrer Schulden zu helfen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP