Zwischen Armut und Macht Merkels UN-Mission
19.09.2010, 13:34 Uhr
Dirk Niebel (l), Kofi Annan und Angela Merkel: Auch Deutschland bleibt hinter den Millenniumszielen zurück.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bis 2015 wollen die Vereinten Nationen die Armut in der Dritten Welt lindern. Viele Länder hinken den Zielen hinterher. Auch Deutschland. Die Kanzlerin ist beim Zwischenbilanz-Gipfel in New York dabei. Sie will aber noch etwas anderes: einen Platz im Sicherheitsrat.
Die Liste der Gesprächspartner von Angela Merkel in New York erscheint ungewöhnlich: Am Rande des UN-Gipfels zur Zwischenbilanz der Millenniumsziele will die Kanzlerin die Präsidenten von Turkmenistan, Togo und Vietnam und den König von Marokko treffen. Dabei dürfte es nicht nur um den Kampf gegen Armut, Hunger und den frühen Tod von Müttern und Kindern in der Welt gehen.
Merkel wird auch um Unterstützung in der UN-Vollversammlung Mitte Oktober werben, wenn fünf neue Länder als nichtständige Mitglieder für die nächsten beiden Jahre in den Sicherheitsrat gewählt werden. Und dann zählt Togos Stimme so viel wie das Votum der USA.
Als eines der derzeit am besten gehüteten Geheimnisse im politischen Berlin gilt eine Liste im Auswärtigen Amt mit den Namen der Länder, die Deutschland auf einem solchen Platz im Weltsicherheitsrat sehen wollen. Deutschland braucht eine Zweidrittel-Mehrheit der 192 Nationen.
Ständige Mitgliedschaft als Ziel
Der nichtständige Sitz wäre auch als Bewerbung Deutschlands um einen späteren ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu verstehen, den bisher die USA, Russland, Großbritannien und Frankreich und China innehaben. So sagt Außenminister Guido Westerwelle: "Die ständige Mitgliedschaft ist unser politisches Ziel."
Das höchste UN-Gremium entscheidet über weltweite Einsätze und Sanktionen gegen einzelne Länder. Bisher scheiterten alle Versuche, den Sicherheitsrat den geänderten Weltverhältnissen anzupassen.
Einen nichtständigen Sitz hatte das wiedervereinigte Deutschland bisher zweimal: 1995/96 und 2003/04. Nach den UN-Regeln stehen den westlichen Staaten bei der Wahl im Oktober zwei Plätze zur Verfügung. Deutschlands Konkurrenten heißen Kanada und Portugal.
Hinter den Milleniumszielen zurück
Die Bundesregierung rechnet sich gute Chancen aus, vor allem weil Deutschland drittgrößter Beitragszahler der UN ist und mehr als 7000 Sicherheitskräfte für Missionen bereitstellt. Deutschland gibt auch gemessen am Bruttoinlandsprodukt so viel Geld für Entwicklungshilfe aus wie kaum ein anderes Land.
Dennoch - und das ist eines der Hauptthemen des UN-Gipfels - bleibt auch Deutschland hinter den Millenniumszielen zurück. Unter Kofi Annan, dem Vorgänger von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, hatten sich die UN bis 2015 ehrgeizige Ziele gesetzt: Die Zahl der Armen und der Hungerleidenden sollte halbiert, die Kindersterblichkeit um zwei Drittel und die der Mütter um drei Viertel gesenkt werden. Reiche Länder wie die Bundesrepublik sollen 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe ausgeben.
"Gebrochenes Versprechen"
Der Deutschlanddirektor der entwicklungspolitischen Organisation ONE, Tobias Kahler, sagt: "Deutschland hat sich in der Vergangenheit oft als Vorreiter in entwicklungspolitischen Fragen verhalten. Aber in diesem Jahr hätte Deutschland 0,51 Prozent der Wirtschaftsleistung in Entwicklung investieren müssen. Das ist nicht geschehen und damit ein gebrochenes Versprechen gegenüber den Ärmsten der Welt." Derzeit liegt die Quote im Bundeshaushalt bei 0,4 Prozent.
Auch Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel ist in New York. Sein Haus versichert, das Ziel 0,7 Prozent bleibe bestehen. Diplomaten betonen, Entwicklungshilfe sei mittlerweile eine Querschnittsaufgabe. So zählten auch Umweltprojekte, Brunnenbauten und Wasserversorgung dazu, die nicht alle aus dem Etat von Niebel finanziert würden, aber dazu gerechnet werden müssten. Und im Kanzleramt weist man gern darauf hin, dass 2004 zu Regierungszeiten von Rot-Grün - ohne Finanz- und Wirtschaftskrise - nur 0,28 Prozent des BIP für Entwicklungshilfe ausgegeben wurden.
Quelle: ntv.de, Kristina Dunz, dpa