Weihnachtswünsche an die GroKo Minister, legt die Spaten weg
23.12.2013, 12:04 Uhr
Eigentlich sollte das Durchschneiden von Bändern nicht zu den Hauptaufgaben von Politikern gehören.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit Koalitionen ist es ähnlich wie mit dem Christkind. Selten bekommt, was man gerne gehabt hätte. Trotzdem wünschen sich die Redakteure von n-tv.de etwas von der Großen Koalition zu Weihnachten. Heute: dass Staatssekretäre, Minister und Kanzlerin den Einweihungswahn stoppen.
Frieden und Krieg, Wohlstand und Armut, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Deutschland ist der mächtigste Staat der EU, unsere Bundesregierung ist eine der mächtigsten Institutionen der Welt. Sie hat die Möglichkeit, bei den wirklich wichtigen Dingen in diesem Land und auf der Welt etwas zu verändern. Ihr stehen dafür jedes Jahr 300 Milliarden Euro zur Verfügung.
Wenn ich morgens die Pressemitteilungen der Regierung überfliege, kommt es mir oft so vor, als hätten die Beamten, die Staatssekretäre, die Minister und die Kanzlerin ihre Aufgaben aus den Augen verloren. Der Wirtschaftsminister äußert sich zum World Usability Day. Seine Staatssekretärin ehrt herausragende Projekte aus Wirtschaft und Wissenschaft.
Es ist nicht klar, wie lange es unsere Währung noch geben wird und was der Klimawandel aus unserem Planeten macht. Das Land leidet an politischem Desinteresse und gleichzeitig an Angst vor der Zukunft. Der Staatssekretär im Familienministerium würdigt innovative Ausbildungskonzepte. Sein Kollege für Kultur gibt die Nominierungen zum Deutschen Drehbuchpreis bekannt und eröffnet das Reeperbahnfestival.
Während sich gesellschaftliche Gruppen auflösen, die Menschen so mobil sind wie noch nie, während neue Parteien entstehen und untergehen, haben die Mitglieder der deutschen Bundesregierung viel Zeit, um Spatenstiche zu machen und Bänder durchzuschneiden. Sie feiern nicht nur Beginn und Abschluss von staatlichen Projekten, sondern lassen sich auch als Redner bei Unternehmen und Verbänden einladen. Sie sprechen Grußworte und weisen auf die Bedeutung einer Unternehmenskultur hin, die Familien im Blick hat.
Es ist sicher richtig, dass Politiker und hohe Beamte den Kontakt zur Bevölkerung halten und Gespräche mit Unternehmen und gesellschaftlichen Gruppen führen. Doch die ungezählten Reden, Veranstaltungen und Feste, zu denen sich die Volksvertreter einladen lassen, laufen dann ja doch anders ab: Da wird sich herausgeputzt, da bringt der Firmenchef eine politische Forderung unter, da wird vorgezeigt, wie toll hier alle zusammenarbeiten und damit Arbeitsplätze sichern. Von Niedriglöhnen, unhygienischen Arbeitsverhältnissen und Schikane ist bei solchen Terminen naturgemäß nicht die Rede. Die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen konnte noch Ende 2012 in einer Talkshow die Behauptung zurückweisen, in Supermärkten gäbe es regelmäßig einen Missbrauch von Werkverträgen. Die vielen Firmenchefs, denen sie die Hände schüttelte, haben sie der Wahrheit offensichtlich nicht näher gebracht.
Mein Wunsch an die Große Koalition und die neu besetzte Regierung lautet darum: Lasst die Finger von Spaten, Scheren und Rednerpulten! Lehnt die Einladungen ab! Wenn ihr auf Volksfeste und zu Tagen der offenen Tür geht, legt die Krawatten ab und mischt euch unters Volk. Aber haltet euch von der Bühne fern. Die wenigsten Menschen erkennen einen Staatssekretär, wenn sie ihn auf der Straße treffen. Anstatt sich bekannt zu machen, sollte der es nutzen, dass die Menschen ihm unverstellt begegnen. Wer mit dem Bus zur Arbeit zu fährt, lernt dabei mehr über sein Land, als wenn er eine neue Produktionsstraße bei einem Mittelständler einweiht.
So wichtig die Frage ist, wie sich die Gesellschaft durch ihre Alterung verändert - so sicher bin ich, dass Angela Merkels "Demographiereise" nichts zur ihrer Beantwortung beigetragen hat. Weder der Besuch im Seniorenzentrum St. Konrad in Melle-Wellingholzhausen noch die Visite bei der Personenverkehrsgesellschaft Altmarkkreis Salzwedel und auch nicht ihre Rede im Rathaus Stendal haben etwas bewirkt. Zumindest konnten mich die Pressemitteilungen aus dem Kanzleramt bislang nicht davon überzeugen. Und auch, wenn die Teilnehmer der "42. Worldskills Berufsweltmeisterschaft" auf einen Besuch im Bundeskanzleramt hätten verzichten müssen, würde es Deutschland heute wohl nicht schlechter gehen.
Meine Kollegin hat sich in dieser Serie schon ein Tempolimit von 30 km/h in deutschen Innenstädten gewünscht. Das würde die Zahl von Unfällen reduzieren. Der mittlerweile aus dem Amt geschiedene Verkehrsminister Peter Ramsauer versuchte etwas anderes: Er startete die Verkehrssicherheitskampagne "Runter vom Gas". Um dafür etwas Aufmerksamkeit zu gewinnen, setzte er sich mit Ex-Nationalspieler Arne Friedrich in den Bus der deutschen Nationalmannschaft und ließ sich vom DFB-Busfahrer Wolfgang Hochfellner durch den Berliner Stadtverkehr fahren. Sicherer fühle ich mich jetzt trotzdem nicht. Bitte, liebe Minister - lasst es einfach sein.
Quelle: ntv.de