"Frauen werden abgestempelt" Ministerinnen streiten über Quote
31.01.2011, 18:52 Uhr
Familienministerin Schröder, Arbeitsministerin von der Leyen, Kanzlerin Merkel.
(Foto: picture alliance / dpa)
In der Bundesregierung ist ein offene Streit über eine gesetzliche Frauenquote für die Wirtschaft ausgebrochen. Arbeitsministerin von der Leyen schlägt dabei der Widerstand von Familienministerin Schröder und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger entgegen. Deren Partei, die FDP, hält gar nichts davon.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hält trotz des Widerstands ihrer Kabinettskolleginnen eine feste gesetzliche Frauenquote in den Chefetagen der Wirtschaft für überfällig. Sie ging damit auf Gegenkurs zu Familienministerin Kristina Schröder und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Kanzlerin Angela Merkel sieht in dem Streit einen "normalen Diskussionsprozess", versicherte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach.
Von der Leyen strebt eine verbindliche Quote von 30 Prozent in Vorständen und Aufsichtsräten an. "Wir sind im Augenblick, was Frauen in den Führungspositionen angeht, auf Höhe mit Indien, hinter Russland, hinter Brasilien, hinter China. Mit anderen Worten, es ist wirklich an der Zeit, dass sich in diesem Land auch etwas ändert." Es müsse "klar sein, dass die gesetzliche Vorgabe - die Schritte, die Zeitschiene - geklärt wird in diesem Jahr", sagte sie im NDR.
EU unterstützt die Pläne
Von der Leyen versicherte, die Bewegung für eine feste Quote komme aus der Mitte des Parlamentes. "Die Gruppe der Frauen in der Union hat seit einem halben Jahr konsequent an diesem Thema gearbeitet, und sie haben inzwischen auch einen Stufenplan vorgelegt."
Unterstützung bekam von der Leyen auch aus der EU-Kommission. Falls bis Jahresende die Konzerne nicht selbst aktiv werden, will Brüssel rechtliche Vorgaben für eine Frauenquote in Aufsichtsräten machen, kündigte EU-Justizkommissarin Viviane Reding an. "Ich möchte erreichen, dass bis 2015 30 Prozent und bis 2020 40 Prozent der Aufsichtsräte der börsennotierten Unternehmen auf Europas Binnenmarkt weiblich sind", sagte Reding.
Ministerin Schröder sagte dagegen in der ARD, sie wolle keine gesetzliche Regelung, "die alle Unternehmen von der Stahlindustrie bis zur Medien- und Kommunikationsbranche über einen Kamm schert". "Ich will eine Regelung, die die Unternehmen wirklich zwingt, sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen. Deshalb schlage ich eine flexible Quote vor, quasi eine Pflicht zur Selbstverpflichtung", sagte die CDU-Ministerin. Konkret will Schröder "die Unternehmen gesetzlich verpflichten, dass sie sich selbst eine Quote geben müssen und diese dann auch innerhalb von zwei Jahren erreichen.
In der Wirtschaft wenig Begeisterung
Auch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger lehnt eine pauschale Frauenquote ab. "Es reicht nicht aus, mit dem Finger auf die Unternehmen zu zeigen und die Rahmenbedingungen nicht zu diskutieren", sagte die FDP-Politikerin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Intelligente Lösungen müssten die Familien- und Bildungspolitik genauso in den Blick nehmen wie Probleme in der Unternehmenskultur - zum Beispiel der Wettbewerb der Mitarbeiter um die längste Anwesenheit am Arbeitsplatz. Der Vorstoß der Arbeitsministerin sei lediglich ein Diskussionsbeitrag und nicht Bestandteil der Verabredungen im Koalitionsvertrag, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.
Die Bundesregierung will nach Angaben der Regierungssprecherin nach einem für März geplanten Gespräch mit den Arbeitsdirektoren der 30 Dax-Unternehmen "zeitnah" einen abgestimmten Vorschlag vorlegen. Die Kanzlerin wie die gesamte Bundesregierung sei der Auffassung, dass in Deutschland zu wenige Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft gelangten.
Die Bundesvorsitzende des Verbands "Die Jungen Unternehmer", Marie-Christine Ostermann, bezeichnete gegenüber der Zeitung eine gesetzliche Frauenquote als völlig kontraproduktiv. Sie führe dazu, dass hoch qualifizierte Frauen zu "Quotenfrauen abgestempelt werden", sagte sie. Bei der Stellenbesetzung sollte allein die Qualifikation entscheiden, nicht das Geschlecht.
Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner wies eine feste Quote als einen "tiefen Eingriff in Vertragsfreiheit und Personalpolitik der Unternehmen". Auch die CSU sprach sich gegen eine gesetzlich festgelegte Quote aus. "Im Moment jedenfalls will bei uns an eine gesetzliche Änderung niemand heran", sagte Parteichef Horst Seehofer. Die CSU setzt auf freiwilliges Handeln der Wirtschaft.
Opposition verlangt mehr
SPD-Vize Manuela Schwesig forderte dagegen eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent. "Wir wollen sie jetzt. Wir warten seit zehn Jahren", sagte sie der ARD. Es gebe zwar freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft. "Doch von den 200 stärksten Unternehmen haben nur drei Prozent Frauen in Führungspositionen. Das ist wirklich mittelalterlich."
Die Grünen halten die Vorschläge für völlig unzureichend. "Es ist mehr als peinlich, es ist ernüchternd, was die Bundesregierung uns in diesem Bereich bietet", sagte Parteichefin Claudia Roth. Von der Leyens 30-Prozent-Quote sei eine Mogelpackung, weil sie nur für börsennotierte Unternehmen gelten solle. Roth nannte eine generelle Frauenquote von 40 Prozent als das Ziel. Linken-Chefin Gesine Lötzsch forderte eine verbindliche Quote von 50 Prozent.
Quelle: ntv.de, dpa/rts