Politik

Auslieferung an UN-Tribunal Mladic legt Einspruch ein

(Foto: REUTERS)

Der Anwalt des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Mladic kündigt seinen Einspruch gegen die Auslieferung des 69-Jährigen an. Sein Mandant sei körperlich nicht in der Lage, sich dem Prozess vor dem UN-Tribunal in Den Haag zu stellen. Die Staatsanwaltschaft bezeichnet das als reine "Verteidigungstaktik".

Ein serbisches Gericht hat entschieden, dass der mutmaßliche Kriegsverbrecher Zlatko Mladic an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt werden darf. Dem heute 69-Jährigen steht damit ein Prozess unter anderem wegen des Massakers von Srebrenica mit 8000 Toten bevor. Sein Anwalt kündigte an, wegen des schlechten Gesundheitszustandes seines Mandanten die Auslieferung anzufechten.

Mladic auf einem Foto von 1995, daneben kurz nach seiner Festnahme.

Mladic auf einem Foto von 1995, daneben kurz nach seiner Festnahme.

(Foto: AP)

Mladic war nach anderthalb Jahrzehnten auf der Flucht nahe der Stadt Zrenjanin im Bauernhaus seines Vetters gefasst worden. Eine erste Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter in Belgrad musste abgebrochen worden, weil sich der Ex-Militärchef der bosnischen Serben als schwacher, kranker Mann präsentierte, der sich kaum mitteilen kann. Auf der Grundlage eines medizinischen Gutachtens entschied das Gericht jedoch, dass der als "Schlächter vom Balkan" berüchtigte ehemalige General sich trotz mehrerer chronischer Krankheiten in der Lage sei, dem Verfahren zu folgen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kann die Auslieferung "spätestens in sieben Tagen" erfolgen.

Staatsanwalt Bruno Vekaric widersprach Augenzeugen, die Mladic als demenzkranken alten Mann mit eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit dargestellt hatten. Die angebliche Gebrechlichkeit sei nur Teil seiner Verteidigungstaktik, so der Behördensprecher. Er habe Mladic als Mann erlebt, der seine Lage sehr wohl einschätzen und am Verfahren teilnehmen könne. Mladic verweigerte die Annahme der Anklageschrift des UN-Tribunals - für den Fortgang des Verfahrens hat das aber keine Bedeutung.

Derzeit ist Mladic in Belgrad inhaftiert. Laut Medienberichten soll er Erdbeeren und russische Literatur verlangt haben. Der 69-Jährige erbat außerdem die Erlaubnis, das Grab seiner Tochter Ana besuchen zu dürfen. Die Medizinstudentin hatte 1994 im Alter von 23 Jahren Selbstmord begangen und ist auf einem Belgrader Friedhof begraben.

Familie verlangt Verlegung in Krankenhaus

Mladic' Sohn Darko erklärte, sein Vater sei gesundheitlich nicht stabil genug für eine Überstellung nach Den Haag. "Ich bin kein Arzt, aber meiner Meinung nach ist er im Moment nicht fit", sagte er. Der Gesundheitszustand seines Vaters sei "beunruhigend", fügte er hinzu. Die Familie werde eine Untersuchung durch unabhängige Ärzte sowie seine Verlegung in ein Krankenhaus fordern. Mladic soll an Nierenproblemen und Bluthochdruck leider. Außerdem soll eine Hand teilweise gelähmt sein.

Eine Sprecherin des UN-Tribunals in Den Haag sagte dazu, das Gericht sei durchaus in der Lage, Kranke zu empfangen und tue das seit seinem Bestehen. Das Gericht habe ein eigenes medizinisches Zentrum und außerdem Zugang zum niederländischen Gesundheitssystem.

Im Schlaf überrascht

Serbischen Medienberichten zufolge leistete Mladic bei seiner Festnahme keinerlei Widerstand und gab sich sofort zu erkennen, obwohl er mit zwei geladenen Gewehren bewaffnet war. Demnach sei er von den Einsatzkräften im Schlaf überrascht worden. Wie die Zeitung "Blic" berichtete, waren in dem Haus im Dorf Lazarevo im Nordosten des Landes, in dem er sich aufhielt, nur einige seiner Cousins anwesend. Seine angeblich umfangreiche Leibwache, die ihn bei einer Festnahme hätte erschießen sollen, sei weit und breit nicht in Sicht gewesen. Auch seien keine modernen Kommunikationsmittel wie Handy oder Laptop gefunden worden. An dem Einsatz waren "Blic" zufolge sowohl der Geheimdienst BIA als auch ein Spezialteam zur Verfolgung von Kriegsverbrechen beteiligt.

In diesem Haus wurde Mladic festgenommen.

In diesem Haus wurde Mladic festgenommen.

(Foto: REUTERS)

"Blic" und die Zeitung "Politika" veröffentlichten ein Bild des 69-Jährigen, das ihn mit einem Baseballkappe und stark gealtert zeigte. Die Zeitung "Vecernje novosti" zitierte einen Nachbarn, der sagte, er habe Mladic nach dessen Festnahme beim Anziehen geholfen. Der frühere General sah dem zuständigen Minister Rasim Ljajic zufolge eingefallen und deutlich älter aus. "Kaum jemand konnte ihn erkennen." Mladic hatte falsche Ausweisdokumente bei sich, die ihn als Milorad Komadic ausgaben.

Mladic wurde 1995 vor dem Haager Tribunal wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Kriegs (1992-1995) angeklagt. Seit 1996 wurde er international gesucht. Ihm werden die Belagerung Sarajevos mit rund 10.000 Toten und das Massaker von Srebrenica mit etwa 8000 Toten angelastet.

Die zehn Millionen Euro, die der Staat für seine Ergreifung ausgelobt hatte, bleiben im Staatssäckel. Es gebe niemanden, der den entscheidenden Tipp gegeben habe, sagte Justizstaatssekretär Slobodan Homen dem Belgrader TV-Sender B92. Der 69-Jährige sei "im Rahmen der normalen operativen Arbeit der serbischen Sicherheitsorgane" gefasst worden. Die USA hatten zusätzliche 5 Millionen Dollar für Mladics Ergreifung ausgelobt.

Merkel begrüßt Verhaftung

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach am Rande des G-8-Treffens in Deauville von einer "guten Nachricht, nicht nur für Bosnien und Herzegowina, sondern auch für Serbien, den Westbalkan und damit für ganz Europa". Vielen Serben gilt Mladic aber noch immer als Held - für Sonntag rief etwa die ultranationalistische Radikale Partei zu Protesten gegen seine Festnahme auf.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte während eines Besuchs im Kosovo, das 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt hatte, trotz der begrüßenswerten Verhaftung Mladics gebe es für Serbien vor einem möglichen Beitritt zur Europäischen Union "noch viel zu tun".

Serbiens Präsident Boris Tadic hatte klargemacht, dass Belgrad nun als Gegenleistung für die Festnahme von Mladic einen zügigen EU-Beitritt erwarte. Dagegen sprach der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, von einer "Bringschuld Serbiens". Für die Festnahme von Kriegsverbrechern könne das Land keine Gegenleistung erwarten, meinte Ischinger im Deutschlandfunk.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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