Wahldebakel der ÖVP Molterer tritt zurück
29.09.2008, 20:05 UhrEinen Tag nach dem Wahldebakel bei der Nationalratswahl hat die konservative österreichische Volkspartei personelle Konsequenzen gezogen. Der Vorsitzende der ÖVP, Wilhelm Molterer, trat zurück. Bei einer Sondersitzung des ÖVP-Vorstandes in Wien übergab er sein Amt kommissarisch an Umweltminister Joseph Pröll. Der Führungswechsel solle "möglichst rasch" auf einem Sonderparteitag vollzogen werden, kündigte Molterer im Anschluss an die zweistündige Sitzung an.
Die ÖVP hatte bei der Wahl mehr als acht Prozentpunkte an die beiden Rechtsparteien FPÖ und BZÖ verloren und mit nur noch 25,6 Prozent das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der Partei eingefahren. Am Sonntagabend war Molterer noch Fragen nach seinem möglichen Rücktritt ausgewichen.
Statthalter für Pröll
Der studierte Agronom, der in der amtierenden rot-schwarzen Regierung Finanzminister und Vizekanzler war, hatte das Amt des Vorsitzenden Anfang 2007 zunächst kommissarisch vom damaligen ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel übernommen. Im Frühjahr 2007 wurde er dann offiziell vom ÖVP-Parteitag bestätigt. Allerdings galt Molterer von Anfang an als Übergangslösung und Statthalter für Joseph Pröll, der nun - früher als erwartet - seine Nachfolge antritt.
Pröll sagte nach der Bekanntgabe des Stabwechsels am Abend, die ÖVP werde sich nicht festlegen lassen, ob sie in der kommenden Legislaturperiode in der Regierung oder Opposition verbringen wird. Molterer betonte, dass es zunächst auch keine Festlegung auf eine bestimmte Partei gebe, falls die ÖVP in Koalitionsverhandlungen eintreten wolle.
Mitte-rechts als Option
Nach der Schock-Niederlage vom Sonntag häuften sich die Stimmen innerhalb der ÖVP, die sich gegen eine Fortsetzung der großen Koalition mit den Sozialdemokraten der SPÖ aussprachen. Die SPÖ war am Sonntag mit 29,7 Prozent trotz deutlicher Verluste stärkste Partei geworden. ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sprach sich sogar mehr oder weniger offen für eine Koalition mit den beiden rechten Parteien FPÖ und BZÖ aus, die zusammen am Sonntag knapp 29 Prozent der Stimmen gewonnen hatten.
Der Vorsitzende der regierenden SPÖ, Werner Faymann hatte sich nach der Wahl für eine Fortsetzung von rot-schwarz, wenn möglich mit einer anderen ÖVP-Spitze, ausgesprochen.
Joseph Pröll, Neffe des mächtigen ÖVP-Landeshauptmanns von Niederösterreich, Erwin Pröll, war in der amtierenden Koalitionsregierung Koordinator seiner Partei für die Zusammenarbeit mit der SPÖ. Sein Gesprächspartner auf der anderen Seite war der jetzige SPÖ-Chef Faymann.
Israel ist besorgt
Die Wahl hat derweil aufgrund der rechten Erfolge im In- und Ausland Beunruhigung ausgelöst. Die israelische Regierung zeigte sich besorgt. "Es beschäftigt Israel, wenn Gruppen oder Bewegungen, die Fremdenfeindlichkeit fördern, den Holocaust leugnen und Freunde von Nazi-nahen Elementen werden, Unterstützung bei Wahlen erhalten", sagte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Yigal Palmor, in Jerusalem.
Ob Israel - wie im Jahr 2000 - seinen Botschafter aus Wien abberufen werde, falls es zu einem Regierungsbündnis der ÖVP mit der Rechten komme, wollte Palmor nicht sagen. Dazu sei es "noch zu früh". Dagegen wurde die Wahl von den rechten Gruppierungen in Italien und Frankreich begrüßt. Die französische Front National gratulierte der FPÖ, mit der sie eine europaweite Partei gründen will.
An rechte Parteien verloren
Eine Analyse der Wählerwanderung des Meinungsforschungsinstituts SORA hat ergeben, dass die Verluste der beiden bisherigen Koalitionsparteien fast ausschließlich den beiden rechten Parteien zugute kamen. Nach der SORA-Analyse wurde die ausländer- und EU-feindliche FPÖ von den Jungwählern bis 30 eindeutig bevorzugt. Erstmals durften in Österreich auch Jugendliche ab 16 Jahren wählen gehen.
Unterdessen ist klar, dass Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer zunächst SPÖ-Chef Werner Faymann als Chef der größten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird. Doch die Regierungsbildung dürfte für ihn alles andere als leicht werden. Faymann lehnte im ORF-Fernsehen die Bildung einer Koalition mit den beiden Rechtsparteien ab.
Eine kleine rot-grüne Koalition kommt nach den Verlusten der SPÖ und dem schwachen Abschneiden der Grünen nicht mehr in Frage.
Quelle: ntv.de