Politik

Pfiffe und Jubel für McCain "Momentum" ist eine Frage der Zeit

John McCain galt lange als Außenseiter. Als er im April 2007 ankündigte, er wolle sich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewerben, lautete das allgemeine Urteil: zu alt.

Entsprechend schleppend lief sein Wahlkampf an. Bei den Spenden lag McCain durchweg hinter Mitt Romney und Rudy Giuliani. Bis zum Super-Dienstag hatte McCain lediglich drei Staaten gewonnen. Keiner dieser Siege war überwältigend. "McCain muss erst noch zeigen, dass er eine Mehrheit der republikanischen Wähler gewinnen kann", urteilten Kommentatoren in den USA.

Genau dies gelang McCain am Super-Dienstag. Er gewann neun Bundesstaaten mit teilweise überzeugenden Ergebnissen. Die Mehrheit der Delegierten für den Nominierungsparteitag hat der 71-Jährige so gut wie sicher; was ihm fehlt ist das "momentum", diese fast mythische Kraft, die aus einem Bewerber einen Kandidaten und aus dem Kandidaten schließlich den Präsidenten macht - die Eigendynamik, die den Sieger von Sieg zu Sieg trägt, die seine Anhänger mitreißt und die Zahl seiner Wähler immer größer werden lässt.

Bei den Wahlen von 2000 und 2004 sorgte die religiöse Rechte für das "momentum", das George W. Bush ins Weiße Haus trug. In diesem Jahr scheiterten sie schon vor den Vorwahlen: Auch Mike Huckabee und Mitt Romney stießen bei radikalen Christen und Erzkonservativen nicht auf ungeteilte Begeisterung. Mit ihnen hätte man sich jedoch arrangieren können. Doch McCain?

"So gefährlich wie Clinton oder Obama"

Tom DeLay, zwischen 2002 und 2006 immerhin Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, weiß noch nicht, ob er im November für McCain stimmen wird. Wenn der die Konservativen weiter missachte, "dann bin ich nicht sicher, wer der Gefährlichste im Weißen Haus wäre", sagt er mit Blick auf Hillary Clinton und Barack Obama.

Ganz so weit würden die meisten Konservativen in den USA wohl nicht gehen. Es reichte allerdings, wenn sie am 4. November zuhause blieben. Den Demokraten wäre die Mehrheit sicher.

McCains Problem ist, dass er bei konservativen Republikanern als zu liberal gilt. In der Kritik stehen vor allem seine Haltung zum Umgang mit illegalen Einwanderern und sein Widerstand gegen Steuersenkungen der Bush-Regierung - Themen, die für die konservative Identität einen hohen Stellenwert haben. Seine Ablehnung des Rechts auf Abtreibung ist den Konservativen nicht radikal genug, sein Eintreten für Umweltschutz und gegen den Klimawandel macht ihn suspekt.

"I stood my ground"

McCain bemüht sich ausdrücklich um die Konservativen, achtet jedoch sehr darauf, nicht seinen größten Trumpf aus der Hand zu geben: Das Image eines Mannes, dem Überzeugungen wichtiger sind als Parteiloyalität.

Eine Gratwanderung. Als McCain am Donnerstag vor einer Konferenz konservativer Politiker und Aktivisten auftrat, erntete er auf die bloße Erwähnung des Themas Einwanderung hin Pfiffe und Buh-Rufe. McCain kokettierte, er sei ein Konservativer, der mit seinen "fellow conservatives" nicht immer einer Meinung sei. "I stood my ground" - auch gegen Widerstände hielt er an Ansichten fest, wenn er sie für richtig hielt. Denn: "Es gehört nicht zu meinen Gepflogenheiten, meinem Land Versprechungen zu machen, die ich nicht halten will."

Doch selbst vor der "Conservative Political Action Conference" machte McCain deutlich, dass er Republikaner, Unabhängige und "aufgeklärte Demokraten" gewinnen wolle.

McCain sei zwar ein Konservativer, nur nicht immer ein "politisch korrekter Konservativer", meint CNN-Kommentator Bill Schneider. "Er stellt jetzt seine Fähigkeit zum parteiübergreifenden Kompromiss heraus, denn das ist es, was die Wähler in diesem Jahr offenbar wollen."

McCain holt auf - auch gegen Clinton und Obama

Das stimmt. Nach einer aktuellen Umfrage des Nachrichtenmagazins "Time" hätte McCain gegen Hillary Clinton eine bessere Chance als gegen Barack Obama. Im direkten Vergleich erhielte Obama demnach 48, McCain 41 Prozent der Stimmen, während McCain und Clinton mit jeweils 46 Prozent auf ein Patt kämen. Den Ausschlag geben die unabhängigen Wähler, die sich weder als Demokraten noch als Republikaner fühlen. Bei einer Entscheidung zwischen Clinton und McCain neigen sie eher zu McCain, bei einer Entscheidung zwischen Obama und McCain eher zu Obama. Wichtiger noch: Schon seit einigen Wochen schrumpft der Vorsprung der Demokraten.

Die religiöse Rechte und die Konservativen mögen mit den Zähnen knirschen - John McCain ist der Sieger der republikanischen Vorwahlen. Er hat eine realistische Chance, den demokratischen Kandidaten oder die demokratische Kandidatin zu schlagen. "Momentum" ist nur eine Frage der Zeit. Viele Konservative haben das bereits verstanden. Die Pfiffe auf dem konservativen Kongress wurden denn auch rasch übertönt von Jubel und Applaus.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen