Politik

Deutsch-polnisches Verhältnis Mühen der Ebene

Die Bundesregierung setzt nach dem Streit mit Polen über die Stimmrechte in der Europäischen Union auf Fortschritte in den Beziehungen zu dem Nachbarstaat. Nach dem Kompromiss auf dem EU- Gipfel in Brüssel werde man jetzt wieder "an den Ausbau der deutsch- polnischen Beziehungen gehen können", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der ARD. Es sei richtig gewesen, dass sich kein Verantwortlicher von den "irritierenden Argumentationen" aus Polen habe provozieren lassen. Man habe mit Geduld und Geschick eine Lösung gefunden.

Deutschland sei mit Polen "über eine schreckliche Geschichte des 20. Jahrhunderts miteinander verbunden. Das gibt uns auch den Auftrag, mit Polen geduldig das Gespräch zu suchen, gerade in Zeiten, in denen es etwas schwierig scheint", sagte Steinmeier. Er räumte ein, dass vor Beginn des Verhandlungsmarathons von Brüssel auf vielen Seiten "die Nerven blank lagen, auch in Polen".

Polen und auch Großbritannien hatten seit Beginn des Gipfels am Donnerstagabend auf Konfrontation mit der deutschen Ratspräsidentschaft gesetzt. Erst nach massiven Zugeständnissen lenkte der polnische Staatschef Lech Kaczynski ein und machte einen Kompromiss möglich. Polen hatte letztlich erfolgreich seinen Einfluss bei Beschlüssen in Ministerräten verteidigt. Unter anderem hatte der polnische Regierungschef Jaroslaw Kaczynski im Feilschen um die Stimmrechte auch an die Zahl der polnischen Kriegstoten erinnert.

Steinmeier nannte es "ein ganz wichtiges Signal", dass auf dem Gipfel ein Kompromiss mit Polen und auch mit Großbritannien gelungen sei. Er glaube, dass das Ringen um den Kompromiss zu einer "Befestigung der europäischen Idee in allen Mitgliedstaaten" führen werde.

Stephen Bastos, Polen-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, verteidigte bei n-tv das polnische Vorgehen: "Polen ist relativ neu in der Europäischen Union und muss sich erst an die neuen Spielregeln in der EU gewöhnen. Auf der anderen Seite ist Polen auch das mit Abstand größte Land unter den neuen Mitgliedsländern und beansprucht insofern auch, eine entsprechende Rolle in der EU zu spielen." Zudem gebe es historische Prägungen und andere Faktoren, die man bedenken müsse: " Die Nachwirkungen der polnischen Romantik, indem es immer um Alles oder Nichts geht, aber auch der innenpolitische Stil der Kaczynski-Brüder ist entscheidend. Denn sie setzen auch innenpolitisch ganz stark auf Polarisierung, auf Freund-Feind-Kategorien, und das haben sie jetzt versucht auf die EU zu übertragen, aber haben gesehen, dass ihre Methode Grenzen hat."

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsstaaten hatten sich in der Nacht zum Samstag auf den Weg zu einem neuen Grundlagenvertrag als Ersatz für die gescheiterte EU-Verfassung verständigt. Widerstand aus Polen gegen die künftige Stimmengewichtung hatte die Verhandlungen an den Rand des Scheiterns gebracht. Polen hatte Kopfschütteln ausgelöst, weil es seine Forderung nach einer stärkeren Gewichtung unter anderem mit dem Verlust an Menschenleben während des Zweiten Weltkriegs begründete.

Bei mehreren Mitgliedern der Europäischen Union hatte auch Verärgerung ausgelöst, dass offenbar nicht der nach Brüssel gereiste polnische Präsident Lech Kaczynski die letztendliche Verantwortung für die Verhandlungen hatte, sondern sein in Warschau gebliebener Bruder und Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski. Im Deutschlandfunk erklärte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker: "Ich habe es streckenweise auch als Zumutung auch für die sich sehr geschickt verhaltende Bundeskanzlerin empfunden, dass man ihr nicht denjenigen an den Verhandlungstisch schickt, der den Daumen heben oder kippen kann, sondern dass man seinen Bruder schickt." Er habe keine Lust, so etwas noch einmal zu erleben.

Quelle: ntv.de

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