Merkel im Kreuzfeuer Mugabes gewittrige Rede
09.12.2007, 13:42 UhrMit scharfen Worten hat sich Simbabwes Präsident Robert Mugabe beim EU-Afrika-Gipfel gegen den europäischen Vorwurf der Menschenrechtsverletzungen in seinem Land gewehrt. Diese Kritik zeuge von der "Arroganz" einer "Viererbande" aus Deutschland, Dänemark, Schweden und den Niederlanden, sagte Mugabe in Lissabon nach Diplomatenangaben. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich am ersten Gipfeltag nachdrücklich für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt und für eine bessere Regierungsführung in Simbabwe geworben. Andere EU-Regierungschefs unterstützten sie.
"Kolonialmächte manipulieren uns"
"Europa hat gesagt, es habe wegen Simbabwe so lange keinen EU-Afrika-Gipfel gegeben. Das sehe ich anders: Es war wegen der Arroganz aufseiten der EU", sagte Mugabe. Die Kritik der vier EU-Staaten stehe im Widerspruch zu Erkenntnissen, die die südafrikanische Staatengemeinschaft SADC und die AU habe. "Glaubt die deutsche Kanzlerin wirklich, dass sie Simbabwe besser kennt als die SADC und die AU", rief Mugabe.
Er warf seinen Kritikern vor, sie verträten lediglich die Meinung des Premierministers der früheren Kolonialmacht Großbritannien, Gordon Brown. Dieser hatte das Treffen wegen der Anwesenheit Mugabes boykottiert. "Warum war Großbritannien nicht hier? Weil Brown seine Sprecher mit Megafonen hat, die nicht mit ihrem eigenen Herzen reden, sondern sagten, was Downing Street 10 gefällt", sagte Mugabe. "Die Kolonialmächte manipulieren uns ständig und wollen die Regierung ändern. Aber wir sagen Nein. Wir haben das Recht, über unsere eigene Zukunft zu entscheiden. Wir werden nie wieder eine Kolonie sein."
"Wir haben nicht schon seit 100 Jahren eine Demokratie", sagte Mugabe den Angaben zufolge. "Wir haben für Demokratie in unserem Land gekämpft". Merkel war bei Mugabes Rede nicht im Sitzungssaal. "Das, was ich gesagt habe, das steht in diesem Zusammenhang fest", sagte Merkel. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana betonte in der Gipfelrunde, Merkel habe für die europäischen Staaten insgesamt gesprochen.
Widerstand gegen EU-Vorschläge
Die Europäische Union ist mit ihren Vorschlägen aber nicht nur bei Mugabe auf heftigen Widerstand gestoßen. Die EU-Kommission bot den Afrikanern an, die Verhandlungen über Handelsabkommen über die gesetzte Frist des 31. Dezember hinaus zu verlängern. Bis dahin sollten Interimsregelungen vereinbart werden, sagte EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso zum Abschluss des Treffens.
Diese sollten in Kraft bleiben, bis die EU sich mit den afrikanischen Staaten auf die vorgeschlagenen, neuen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) verständigt habe. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte an, die EU werde ihre Position möglicherweise "flexibilisieren". Darüber solle auf dem EU-Gipfel in Brüssel beraten werden. Die Welthandelsorganisation WTO hatte entschieden, dass das derzeitige Handelssystem zwischen der EU und 78 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) nur bis Jahresende fortgesetzt werden darf.
Derzeitige Regelung illegal
"Sicherlich kann man auch noch einen Tag länger verhandeln", sagte Merkel. "Aber nach den WTO-Regeln haben wir nicht unendlich viel Zeit, um einfach zu sagen: Wir warten zwei Jahre." Die EU werde überlegen, ob flexiblere Verhandlungspositionen möglich seien: "Aber die afrikanische Seite muss das auch tun." Alle hätten ein Interesse an den Abkommen. "Wenn es (das Abkommen) nicht kommt, stehen sich einige, und zwar gerade die etwas besser entwickelten afrikanischen Länder, bezüglich des Handels mit der EU schlechter als heute. Und das wollen wir nicht."
Die WTO hatte bereits im Jahr 2000 die derzeitige Regelung für illegal erklärt und eine Frist bis 2007 gesetzt. Bisher gibt es in der EU für Importe aus den AKP-Staaten keine Zölle und keine Mengenbeschränkungen. Die WTO fordert Gegenleistungen der AKP- Staaten, damit andere Länder nicht benachteiligt werden.
Beki und Wade lehnen ab
Die von der EU als Alternative vorgeschlagenen EPA wurden vor allem von den Präsidenten Thabo Mbeki (Südafrika) und Abdoulaye Wade (Senegal) strikt abgelehnt. Der Kommissionspräsident der Afrikanischen Union (AU), Alpha Oumar Konar, betonte: "Die afrikanischen Staaten sind nicht mehr nur Exporteure von Rohstoffen oder einfache Exportmärkte. Es ist wichtig, dass wir Denkweisen vermeiden, die in eine vergangene Zeit gehören. Arme Länder dürfen nicht in unfaire Abkommen gezwungen werden."
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy unterstützte die Kritik. "Ich glaube nicht, dass alle afrikanischen Länder heute in der Lage sind, einen Liberalismus zu akzeptieren, der für große Unordnung sorgen würde", sagte er. Die Wirtschaft Afrikas dürfe "nicht erstickt" werden. "Man muss diesen Ländern eine Übergangszeit garantieren, bevor man sie ohne Schutz in einen Markt entlässt, in dem sie die Brutalität des Handels nicht überstehen."
Übergangsfristen von bis zu 20 Jahren geplant
EU-Entwicklungskommissar Louis Michel verteidigte die vorgeschlagenen EPA. Diese sähen vor, dass die AKP-Staaten keineswegs alle Märkte für Exporte der EU öffnen müssen. Außerdem seien Übergangsfristen von bis zu 20 Jahren geplant. Eine Überschwemmung der AKP-Märkte mit billigen EU-Gütern drohe nicht.
Afrika wird für die EU zunehmend als Wirtschafts- und Handelspartner interessant. Der Kontinent erzielt seit mehreren Jahren Wachstumsraten von über fünf Prozent. Für dieses Jahr wird nach Angaben der Afrikanischen Entwicklungsbank (BAD) in Afrika ein Wirtschaftswachstum von 5,9 erwartet und für 2008 von 5,7 Prozent. Dies gehe zu einem großen Teil auf die hohen Preise zurück, die afrikanische Staaten beim Export von Rohstoffen wie Erdöl, Aluminium, Kupfer oder Gold erzielten.
"Die große Herausforderung besteht nun darin, dieses Wachstum in einen dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwung umzuwandeln, der von den Rohstoffpreisen unabhängig ist", sagte Louis Kasekende von der BAD am Rande des Gipfels. Der UN-Experte Carlos Lopes betonte: "Afrika übertrifft mit seiner Wachstumsrate die meisten Regionen der Welt, sogar den Südosten Asiens." Afrika sei nicht mehr der Krisenkontinent, wie man ihn aus den 90er Jahren kenne.
Quelle: ntv.de