Exit-Ziele für Afghanistan NATO-Gesamtstrategie
03.04.2008, 18:49 UhrDie NATO will ihren Einsatz in Afghanistan verstärken und hat zugleich erstmals eine Ausstiegsstrategie vereinbart, die auf den Aufbau der afghanischen Polizei und Armee zielt. Es seien konkrete Ziele festgesetzt worden, die vor Beginn eines Truppenabzuges erreicht werden müssten, hieß es auf dem NATO-Gipfel in Bukarest. Trotz der von Frankreich angebotenen Entsendung zusätzlicher 700 Soldaten traten die massiven Probleme des Einsatzes der internationalen Schutztruppe ISAF zutage.
In der Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs wurde Afghanistan langfristige Hilfe zugesichert und dafür eine Lasten-Teilung im Bündnis sowie größtmögliche Flexibilität für den ISAF-Kommandeur beim Einsatz der Soldaten beschlossen. Die Bundeswehr hat hier klare Grenzen, weil Berlin sie nicht im umkämpften Süden - einer Hochburg der radikalislamischen Taliban - einsetzen will. In dem offiziellen Gipfelpapier wurde auch vereinbart, Afghanistans Nachbarn, speziell Pakistan, stärker in eine Kooperation einzubeziehen.
Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy mahnte, wenn die NATO eines Tages aus Afghanistan wieder abziehen wolle, müsse sie jetzt ihre Anstrengungen verstärken und siegen. Das Bündnis sei aber nicht aufgerufen, "ewig in Afghanistan zu bleiben". Auf dem Gipfel wurde eine Gesamtstrategie für Afghanistan vereinbart, wonach die zivilen und militärischen Komponenten besser verzahnt werden sollen. Besonders Deutschland hatte sich dafür starkgemacht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die NATO habe seit ihrem letzten Gipfel in Riga Ende 2006 mit diesem Konzept der sogenannten vernetzten Sicherheit große Fortschritte gemacht. "In Riga haben wir gesagt, dass wir es brauchen. Heute sehen wir, dass wir es haben." Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte, er sei froh, dass diese Gesamtstrategie verabschiedet worden sei. Zugleich wurde in NATO-Kreisen deutlich gemacht, dass die Allianz nicht an einen raschen Ausstieg aus dem Afghanistan-Einsatz denke. Die Verbündeten hätten ihren Willen zu einem langfristigen Engagement am Hindukusch bekräftigt, hieß es.
In einem vertraulichen Papier zur Gipfel-Erklärung legte das Bündnis auf deutsche Initiative erstmals Ziele für den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte fest, damit diese selbst das Land schützen und ausländische Soldaten stufenweise abziehen können. Eine Zeitschiene gebe es aber nicht, teilten Konferenzteilnehmer mit. Es handle sich um Zielmarken sowohl für den Militäreinsatz als auch für den zivilen Wiederaufbau. Darüber hinaus werde in dem Papier festgelegt, dass es vor der Übergabe einzelner Regionen an die afghanischen Sicherheitskräfte einen gesonderten militärischen Beschluss der NATO geben müsse.
Zu den Zielen gehört nach den Worten von Jung die Ausbildung von 80.000 Soldaten für die afghanische Armee. Deutschland selbst werde die Anstrengungen in diesem Bereich verdreifachen und künftig in sieben Einheiten insgesamt 7000 Soldaten ausbilden. Andere Nationen hätten ebenfalls zugesagt, das Training der einheimischen Armee zu verstärken. Bei der Polizei gebe es zwar noch keine feste Zielstärke, im Gespräch seien aber rund 82.000 Beamte.
Mit der Aufstockung der französischen Truppen wurde der erbitterte Streit in der NATO über die Hilfe für die im umkämpften Süden stationierten NATO-Partner vorerst gelöst. Sarkozy sagte, er werde die zusätzlichen Soldaten in den Osten des Landes schicken, weil die USA im Süden Kanada unterstützen wollten. Das französische Angebot verhindert den Abzug kanadischer Truppen aus dem Süden. Kanada verlor dort viele Soldaten und hatte daraufhin gedroht, seine Truppen ganz abzuziehen, wenn es keine spürbare Unterstützung bekommt. Nun ist gesichert, dass die Kräfte bis 2011 bleiben.
Die ISAF ist mittlerweile mit annähernd 50.000 Soldaten in Afghanistan. Allein im vergangenen Jahr waren rund 15.000 zusätzliche Kräfte in das Land geschickt worden. Deutschland ist mit 3500 Soldaten drittgrößter Truppensteller. Frankreich hat derzeit rund 1650 Soldaten in Afghanistan stationiert.
Quelle: ntv.de