Politik

Start mit Streit NATO-Gipfel beginnt

Der Afghanistan-Einsatz der NATO wird zunehmend zur Nagelprobe für den Zusammenhalt der Allianz. US-Präsident Barack Obama forderte die Bündnispartner kurz vor Beginn des NATO-Gipfels in Baden-Baden unmissverständlich zu mehr Engagement auf allen Ebenen auf: militärisch, zivil und diplomatisch. Deutschland nahm er trotz seines Lobes für den Einsatz der Bundeswehr nicht aus. Es seien verstärkte Anstrengungen "von allen Seiten" nötig, mahnte er. "Der Schwerpunkt in Afghanistan ist aus den Augen verloren gegangen."

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die NATO habe in Afghanistan eine Bewährungsprobe zu bestehen. "Davon hängt der Erfolg des Bündnisses ab." Sie sicherte Unterstützung zu, nannte aber keine konkreten Beiträge. Allgemein sagte sie: "In Afghanistan sind wir in großer Verantwortung." Sie sprach die Ausbildung der Polizei an. Deutschland hatte vor Wochen die Entsendung von zusätzlichen 600 Mann zur Absicherung der Wahl angekündigt. Derzeit sind 3800 Soldaten im vergleichsweise ruhigen Norden stationiert. Im Sommer sollen es rund 4200 sein.

Obama zeigte sich in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel demonstrativ "zuversichtlich", dass auch die Bundesrepublik als eine führende europäische Nation ihr Engagement verstärke. Er lobte die Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten. "Ich möchte allen Deutschen sagen, wie dankbar wir dafür sind, dass wir einen so außergewöhnlichen Verbündeten haben", sagte er nach einem Gespräch mit Merkel. "Wir betrachten unsere Beziehung zu Deutschland als eine unserer wichtigsten Beziehungen."

Die Bundesrepublik ist nach den USA und Großbritannien drittgrößter Truppensteller. London will die Zahl seiner Soldaten in Afghanistan vorübergehend erhöhen, um die Sicherheit rund um die Präsidentschaftswahl im August zu gewährleisten, berichteten britische Medien. Auch Belgien und Spanien signalisierten Aufstockung.

Streit um Personalie

Überschattet wird der Gipfel zum 60. Jahrestag der NATO-Gründung von der Auseinandersetzung um die Besetzung des Generalsekretärspostens. Diplomatischen Kreisen zufolge konnte sich die Runde am Freitagabend noch nicht auf einen neuen Generalsekretär einigen. "Die Gespräche werden am Samstag fortgeführt", sagte ein Diplomat.

Als Favorit für die Nachfolge des Ende Juli aus dem Amt scheidenden Niederländers Jaap de Hoop Scheffer gilt der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen. Allerdings hat die Türkei Vorbehalte gegen den Dänen deutlich gemacht. Als Grund verwies die türkische Regierung unter anderem auf die Haltung Rasmussens im Streit über Karikaturen des Propheten Mohammed, der seinen Ausgang in einer dänischen Zeitung hatte.

Rasmussen, der von einflussreichen NATO-Mitgliedern wie Deutschland, den USA, Großbritannien und Frankreich unterstützt wird, hatte sich am Donnerstagabend für den Posten des Generalsekretärs beworben. Der ebenfalls ins Gespräch gebrachte polnische Außenminister Radoslaw Sikorski schloss für sich eine Bewerbung aus.

Keine Angst vor NATO-Reform

Obama plädierte dafür, die künftige Rolle der NATO neu zu definieren. "Ich komme nicht mit großen Vorstellungen hierher, ich komme, um zuzuhören und dabei zu helfen, unsere Vision für die Zukunft zu entwickeln", sagte er zu einer NATO-Reform. Wenn die NATO versuche, alle möglichen Aufgaben zu übernehmen, "dann ist sie gar nichts", warnte er: "Wir müssen die Rolle und die Verantwortung der NATO im 21. Jahrhundert definieren und klären." Es gebe keinen Grund für Deutschland, hinsichtlich der NATO-Reform ängstlich zu sein.

"Freundschaftlicher Wettbewerb" im Handel

Auf die Folgen der Wirtschaftskrise eingehend sagte der US-Präsident, nötig sei ein "freundschaftlichen Wettbewerb" in der Handelspolitik. "Wir wollen auch sicherstellen, dass in Amerika gute Produkte hergestellt werden, die die Deutschen kaufen", sagte er. "Protektionismus ist keine Antwort auf die Krise." Er sei stolz auf das, was beim G20-Gipfel in London beschlossen worden sei. "Wir haben kühne Schritte unternommen, weil wir uns nicht vom globalen Markt abschotten können." Die Volkswirtschaften seien voneinander abhängig. "Wenn wir nicht abgestimmt vorgehen, dann werden wir als Gruppe scheitern." Mit dem beschlossenen Finanzrahmen könnten weitere Krisen verhindert werden. Im Herbst würden die Maßnahmen überprüft und gegebenenfalls ergänzt, sagte Obama.

Schulterschluss mit Europa

Zuvor hatte Obama bereits in Straßburg eine neue Freundschaft zwischen Amerika und Europa beschworen. Obama betonte, nachdem es in den vergangenen Jahren manche Differenzen in den transatlantischen Beziehungen gegeben habe, sei es an der Zeit, sich wieder näher zu kommen. "Amerika hat sich geändert" - aber Amerika könnte nicht dass einzige Land sein, dass sich verändere, sagte Obama vor 4000 Schülern aus Deutschland, Frankreich und den USA. Es beginne eine neue Ära der Verantwortung.

Die Umweltverschmutzung, die die Welt zerstöre, müsse beendet werden. Die USA, Europa, aber auch Indien und China müssten mehr tun. In seiner von den Jugendlichen begeistert aufgenommenen Rede betonte Obama immer wieder, alle Anstrengungen müssten gemeinsam unternommen werden. Er sei nach Europa gekommen, um die Beziehungen zu erneuern. Unter tosendem Applaus der Gäste versprach Obama ferner Maßnahmen gegen den Klimawandel und die Armut in der Welt.

"Welt ohne Atomwaffen"

Die Zuhörer hatten dem US-Präsidenten zugejubelt, als er in Straßburg überraschend ankündigte, dass er beim Gipfeltreffen der EU und der USA am Wochenende in Prag einen Abrüstungsfahrplan vorlegen werde: "Dieses Wochenende in Prag werde ich eine Tagesordnung vorlegen, um das Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen zu verfolgen." Auch nach dem Ende des Kalten Krieges könne die Ausbreitung von Atomwaffen oder der Diebstahl von Nuklearmaterial zur Auslöschung jeder beliebigen Stadt auf der Erde führen. Die USA und Russland hätten die meisten Atomwaffen. Sie müssten abrüsten. Zugleich müssten aber der Iran und Nordkorea am Besitz von Atomwaffen gehindert werden. Obama und sein russischer Kollege Dmitri Medwedew hatten am Mittwoch in London neue Verhandlungen über die atomare Abrüstung vereinbart.

Quelle: ntv.de

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