Sirte weiter heftig umkämpft NATO: Libyen-Einsatz endet bald
06.10.2011, 17:58 Uhr
Die Kämpfe um Sirte toben weiter.
(Foto: dpa)
Das westliche Bündnis bereitet sich langsam auf ein Ende des Einsatzes in Libyen vor. "Wir sind bereit, das zu beenden, wenn die politischen und militärischen Bedingungen erfüllt sind", sagt NATO-Chef Rasmussen. Das sei aber auch von der Lage in Sirte abhängig. Die Stadt ist weiter umkämpft. Scharfschützen Gaddafis leisten hartnäckig Widerstand.
Der Einsatz der NATO in Libyen nähert sich nach den Worten von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen seinem Ende. "Der Einsatz ist noch nicht vorüber, aber ich glaube, das wird bald kommen", sagte Rasmussen beim Treffen der Verteidigungsminister des Bündnisses in Brüssel. Die NATO werde ihre Luftüberwachung und Bombardements so lange fortsetzen, wie die Zivilbevölkerung noch bedroht werde. "Wir sind bereit, das zu beenden, wenn die politischen und militärischen Bedingungen erfüllt sind."
Welche Bedingungen das sind, führte US-Verteidigungsminister Leon Panetta aus. Entscheidend sei die Lage in Sirte. Außerdem komme es darauf an, ob die Truppen des abgesetzten Machthabers Muammar al-Gaddafi die Bevölkerung weiter bedrohen könnten und Gaddafi selbst noch über Kommandofähigkeit verfüge. Als vierte Bedingung nannte Panetta, dass die Kräfte der Übergangsregierung fähig sein müssten, die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Die NATO werde sich dabei auf die Einschätzung ihrer Kommandeure verlassen.
Scharfschützen stoppen Vormarsch
Der Vormarsch der libyschen Übergangsregierung auf Sirte blieb derweil immer wieder im Feuer der Kämpfer Gaddafis stecken. Die Getreuen Gaddafis leisten so heftigen Widerstand, dass Vorhersagen von Kommandeuren über die Einnahme des Gaddafi-Geburtsortes am Wochenende mehr als optimistisch erscheinen. Sirte ist eine der letzten Bastionen des langjährigen libyschen Machthabers Gaddafi. Seit drei Wochen ist die Stadt heftig umkämpft. Rasmussen zeigte sich besorgt über die Lage in Sirte. "Die humanitäre Lage ist offensichtlich ein Grund zur Besorgnis", sagte er.
Die Truppen der Übergangsregierung, die an vorderster Front kämpfen, scheinen nicht einen Schritt vorangekommen zu sein. Die auf dem Dach eines Hotels postierten Kräfte mussten hinter einer Brüstung in Deckung gehen, als sie von einem Nachbargebäude mit Maschinengewehren beschossen wurden. Die Gaddafi-Gegner waren zum Teil zu Fuß zwischen den Häuserreihen unterwegs, wo sie sich Straßenkämpfe mit Gaddafi-Anhängern leisten. Andere versuchten mit bewaffneten Fahrzeugen ins Zentrum zu gelangen.
"Sie werden nicht aufgeben", beschrieb der aus den USA stammende Regierungssoldat Matthew Van Dyke die Absichten der gegnerischen Truppen. Sie könnten nirgendwo hin. Bei den Getreuen Gaddafis handele es sich um Veteranen, Söldner und Fanatiker. Unter Offizieren der Milizen werde bereits von der "Endphase" des Kampfes um Gaddafis Geburtsstadt gesprochen, berichtete dagegen der Sender Al-Arabija. Bereits am Vortag hatten die vormaligen Rebellen nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht.
Deutschland hilft bei Verletzten
Die Zivilbevölkerung leidet unverändert unter den schweren Kämpfen um die 75.000-Einwohner-Stadt, die unter Gaddafi von einem verschlafenen Fischerdorf in Libyens zweite Hauptstadt umgewandelt wurde. Viele Unbeteiligte kämen bei den Kämpfen ums Leben, berichteten Flüchtlinge.
In der Nähe der Hauptstadt Tripolis wurden unterdessen zwei Massengräber mit angeblich 900 Leichen gefunden, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira unter Berufung auf einen Milizkommandeur des Übergangsrates. Der Mann machte keine Angaben darüber, wann die in den Gräbern gefundenen Opfer getötet wurden. Ein Fotograf der Fotoagentur epa hatte am Vortag das Massengrab in Gargaresch bei Tripolis aufgesucht. Dort sollen 200 Leichen verscharrt sein.
Die NATO hatte den Einsatz im März begonnen. Deutschland beteiligt sich daran nicht und hatte sich bei der Abstimmung über die entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrats enthalten. Kritiker bemängelten dies als Sonderweg, der Deutschland in die Isolation geführt habe. Seit dem Machtwechsel in Libyen bemüht sich Deutschland nun, Hilfe beim Wiederaufbau des Landes zu leisten.
Deutschland kündigte an, Libyen bei der Versorgung Verletzter unterstützen zu wollen. Seit Dienstag sei ein medizinisches Beraterteam in Tunis, um gemeinsam mit der libyschen Übergangsregierung den Bedarf an Hilfe auszuloten, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. Der libysche Gesandte und ein Beauftragter des libyschen Gesundheitsministeriums hätten dazu außerdem am Mittwoch Gespräche im Auswärtigen Amt geführt. Konkret gehe es um logistische und finanzielle Unterstützung bei der Versorgung Verletzter. Deutsche Botschaften in Libyen und den Nachbarstaaten sollten dazu auch leichter Visa an Hilfsbedürftige vergeben.
Quelle: ntv.de, rts/AFP/dpa