Kein "Rennen zum Ausgang" NATO peilt Afghanistan-Abzug an
23.04.2010, 16:35 UhrDie NATO will dem Abzug der ISAF-Truppen aus Afghanistan einen festen Rahmen geben. Allerdings soll ein entsprechender Beschluss erst im Herbst getroffen werden. Um den Abzug von US-Atomwaffen aus Europa wird weiterhin gestritten. Außenminister Westerwelle sieht das Bündnis jedoch auf einem guten Weg.
Die NATO-Außenminister haben die Marschroute für einen späteren Abzug aus Afghanistan festgelegt. "Ab heute haben wir einen Fahrplan für den Übergang", sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen nach dem NATO-Rat in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Der Prozess der Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte soll in diesem Jahr beginnen.
Im Juli soll sich die Afghanistan-Konferenz in Kabul mit den NATO-Vorgaben befassen. Beim NATO-Gipfel im Herbst in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon hofft Rasmussen auf einen entsprechenden Beschluss zur Übergabe der Verantwortung. Es werde aber kein "Rennen zum Ausgang" geben, versicherte der NATO-Generalsekretär.
"Viele Länder haben in diesem Einsatz Soldaten verloren, aber in diesem Jahr machen wir Fortschritte", sagte Rasmussen. "In diesem Jahr wird die Dynamik zunehmend auf unserer Seite sein." Die Sicherheitslage in Afghanistan sei "sehr herausfordernd". Er fügte hinzu: "Die Zukunft ist klar und sichtbar: Mehr afghanische Fähigkeiten und mehr afghanische Führung." Zur neuen NATO-Strategie der Partnerschaft mit den afghanischen Sicherheitskräften und massiven Truppenverstärkungen der ISAF sagte er: "Wir sollten keine Illusionen haben. Fortschritte wird es nicht schnell und nicht leicht geben. Aber wir sehen, dass es nun passiert."
Westerwelle für Abzug bis 2014
Bundesaußenminister Guido Westerwelle bekräftigte in Tallinn, die Bundesregierung wolle nach wie vor Ende kommenden Jahres "so weit sein, dass zum ersten Mal auch das Bundeswehrkontingent zurückgeführt werden kann". Wie viele Soldaten dann abgezogen werden könnten, lasse sich noch nicht sagen. "Wir wollen nicht auf Dauer in Afghanistan bleiben." Es bleibe beim Ziel, dass von 2014 an Afghanistan selbst für seine Sicherheit verantwortlich sei. "Ein kopfloses Abziehen wäre aus unserer Sicht ein schwerer Fehler", so Westerwelle. Die Verantwortung solle daher "Schritt für Schritt" übergeben werden.
Bis Ende 2011 soll die afghanische Armee durch verstärkte internationale Ausbildungsanstrengungen eine Stärke von 171.000 Mann und die Polizei von 134.000 Mann erreicht haben. Rasmussen drängte die NATO-Staaten erneut, die noch fehlenden 450 Ausbilder zu stellen. Die NATO-geführte Internationale Afghanistan-Truppe (ISAF) ist derzeit mit rund 90.000 Soldaten aus 47 Ländern im Einsatz. Die Bundeswehr stellt mit rund 4400 Soldaten das drittgrößte Kontingent. Die NATO bezifferte die Zahl der deutschen Soldaten in Afghanistan auf 4700. Der Bundestag hat das Mandat auf maximal 5350 Soldaten begrenzt.
Kein einseitiger Abzug von Nuklearsprengköpfen
Westerwelle zeigte sich zufrieden mit den zweitägigen Beratungen in Tallinn. Seine Initiative zum Abzug taktischer Atomwaffen aus Europa hätten "unerwartet viele unterstützt", sagte der Außenminister. "Hier ist ein Prozess in Richtung Abrüstung in Gang gekommen, der nach und nach mehr Fahrt aufnimmt." Angesichts starker Meinungsunterschiede soll jedoch jede Entscheidung über die in einzelnen europäischen Ländern stationierten taktischen US-Atomwaffen von allen NATO-Staaten gemeinsam getroffen werden. "Die Verbündeten haben den politischen Willen bekundet, Entscheidungen nur im Konsens zu ergreifen und dabei Besorgnisse anderer zu berücksichtigen", sagte Rasmussen.
US-Außenministerin Hillary Clinton hatte bei dem Treffen klargestellt, dass ihr Land keinem einseitigen Abzug von Nuklearsprengköpfen zustimmen werde. Sie knüpfte eine Reduzierung dieser Waffen an entsprechende Zusagen der russischen Regierung. Auch NATO-Generalsekretär Rasmussen nannte Atomwaffen zur Abschreckung alternativlos. Westerwelle sagte dazu: "Abrüstung ist ein sehr dickes Brett, daran muss gebohrt werden."
Bosnien-Herzegowina wird Beitrittskandidat
Die Grünen warfen Westerwelle "mangelnde Durchsetzungskraft" vor. Für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland sei keine Erlaubnis der NATO notwendig, erklärte die abrüstungspolitische Sprecherin Agnieszka Malczak in Berlin. Im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagern noch 15 bis 20 US-Atombomben, deren Abzug Westerwelle fordert.
Die NATO räumte Bosnien-Herzegowina 15 Jahre nach Ende des Kriegs eine Beitrittsperspektive ein. Die 28 NATO-Staaten sprachen sich einstimmig für die Aufnahme des Landes in den Aktionsplan für die Mitgliedschaft (MAP) auf. Zur Bedingung macht das Bündnis aber, dass die Frage der Eigentumsrechte an den von Ex-Jugoslawien übernommenen Militärimmobilien geklärt wird.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts