Zivilisten in Tripolis getötet NATO räumt Fehlschlag ein
19.06.2011, 22:43 Uhr
Das Regime zeigte ausländischen Journalisten das von der NATO zerstörte Haus.
(Foto: AP)
Erneut bombardieren NATO-Jets die libysche Hauptstadt Tripolis. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur zerstört das Bündnis dabei ein Wohnhaus und tötet drei Zivilisten. Das Militärbündnis bestätigt nur die Angriffe auf Tripolis, will den Vorwurf jedoch prüfen.
Die NATO hat bedauert, versehentlich ein Wohnhaus in der libyschen Hauptstadt Tripolis bombardiert und dabei allem Anschein nach mehrere Menschen getötet zu haben. Dies erklärte der Oberkommandeur des NATO-Einsatzes in Libyen, der kanadische General Charles Bouchard, in seinem Hauptquartier in Neapel. Die Untersuchungen zu dem Vorfall liefen noch. Der Angriff galt der NATO zufolge einem Raketenlager.
"Obwohl wir die Einzelheiten des Zwischenfalls noch ermitteln, scheint es so, dass ein Fehler in einem Waffensystem diesen Zwischenfall verursacht hat", heißt es in der Erklärung Bouchards. "Es scheint, als ob eine Bombe nicht das beabsichtigte Ziel getroffen hat. Die Nato bedauert den Verlust unschuldiger Menschenleben und sie geht sehr sorgsam vor im Kampf gegen ein Regime, das entschlossen ist, Gewalt gegen seine eigenen Bürger anzuwenden."
Regime schlachtet Vorfall aus
Die staatliche Nachrichtenagentur Libyens hatte berichtet, bei einem Luftangriff der NATO sei am frühen Morgen ein Wohnhaus getroffen und zerstört worden. Ausländische Journalisten wurden noch in der Nacht zum Ort des Geschehens geführt und konnten die Bergung einer Leiche aus einem Wohnhaus sehen. Zahlreiche Nachbarn halfen bei den Bergungsarbeiten. Später wurde den Reportern in einem Krankenhaus die Leiche eines Kleinkindes gezeigt.

Britische Eurofighter beim Start in Italien: Das Bündnis muss zwei Fehlschläge innerhalb einer Woche einräumen.
(Foto: REUTERS)
"Dies ist ein weiterer Beweis für die Brutalität der NATO", hatte der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim erklärt. In einer ersten Erklärung der NATO hieß es, das Bündnis tue "alles, um die libysche Bevölkerung vor der Gewalt des Regimes von Gaddafi zu schützen". Seit Beginn der Militäreinsätze am 31. März seien mehr als 4400 Kampfeinsätze gegen militärische Ziele in Libyen geflogen worden. Die NATO plane die Einsätze "mit Präzision und mit einer hohen Genauigkeitsrate".
Die NATO teilte zudem mit, sie habe eine Reihe von Zielen in und um Tripolis angegriffen. In der Nähe der Hauptstadt seien auch ein Befehlszentrum, zwei Depots von Militärfahrzeugen, ein Raketenwerfer, vier Artilleriegeschütze und zwei Abschussrampen für Boden-Luft-Raketen getroffen worden.
Zweiter Vorfall bedauert
Wenige Stunden zuvor hatte die Brüsseler NATO-Zentrale bereits einen anderen Vorfall bedauert. Am Donnerstag hatten Nato-Flugzeuge nahe der ost-libyschen Stadt Al-Brega versehentlich Panzer und andere Militärfahrzeuge der Gaddafi-Gegner beschossen. In einer "besonders komplizierten und dynamischen Gefechtsfeldsituation" habe man sie irrtümlich für eine Fahrzeugkolonne der Gaddafi-Truppen gehalten. Nach Rebellen-Angaben waren 16 Aufständische verletzt worden.
Gaddafi-Truppen griffen derweil Rebellenstellungen nahe der westlichen Stadt Nalut an. Ein Reporter des Fernsehsenders Al-Dschasira berichtete am Samstag von schweren Kämpfen am Rand der strategisch wichtigen Stadt unweit der Grenze zu Tunesien. Die Aufständischen hätten ihre Positionen aber behauptet, sagte der Reporter.
Rebellen rufen um Hilfe
Die Rebellen kontrollieren den gesamten Kamm des Nafusa-Gebirges, der von der tunesischen Grenze bis 80 Kilometer vor die Hauptstadt Tripolis reicht. Die Gaddafi-Truppen versuchen seit Wochen, bei Nalut eine Bresche in das Aufständischen-Gebiet zu schlagen. Damit wollen sie die für die Rebellen lebenswichtige Nachschublinie aus Tunesien unterbrechen.
In der Rebellen-Hauptstadt Bengasi riefen Vertreter des Nationalen Übergangsrates die internationalen Geber auf, schnellstmöglich die am 9. Juni bei einer Konferenz der Libyen-Kontaktgruppe zugesagten Gelder für die Rebellen freizugeben. "Das Geld hätte vergangene Woche eintreffen sollen, aber es ist noch nichts angekommen", sagte der Sprecher Abdel Hafes Ghoga.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP