Politik

Kämpfen in Afghanistan Nächste Woche alles klar

Die Bundeswehr steht vor ihrem ersten Einsatz mit einem Kampfverband für die NATO in Nordafghanistan. Die Regierung werde voraussichtlich spätestens beim informellen Verteidigungsministertreffen in der nächsten Woche im litauischen Vilnius der Bitte aus Brüssel entsprechen, verlautete aus Regierungskreisen in Berlin. Die seit längerem erwartete Bitte der NATO nach Entsendung einer schnellen Eingreiftruppe (Quick Reaction Force/QRF) ging am Dienstag beim Verteidigungsministerium ein.

In Vilnius will die NATO nach der Drohung Kanadas, seine 2500 Soldaten aus der südafghanischen Provinz Kandahar abzuziehen, auch über eine mögliche Verstärkung sprechen. Bisher habe "noch kein NATO-Land die von der NATO geführte Afghanistan-Schutztruppe ISAF verlassen", sagte ein NATO-Sprecher. Er wies darauf hin, dass die ISAF in den vergangenen beiden Jahren von 6000 auf mehr als 43.000 Soldaten gewachsen sei.

Kanada fordert Bündnistreue

Kanada fordert eine signifikante Verstärkung der NATO-Truppe und ist verärgert über die Weigerung einiger NATO-Staaten, Truppen in den Süden Afghanistans zu schicken, wo die aufständischen Taliban nach wie vor stark sind. Auch die deutschen Soldaten sind fast ausschließlich im Norden des Landes im Einsatz, der relativ ruhig ist. Ministerpräsident Stephen Harper signalisierte damit, dass sein Land die Geduld mit den aus Kanadas Sicht zögerlichen NATO-Verbündeten verliert.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte bei einem massiv gesicherten, vorher nicht angekündigten Besuch in Afghanistan Präsident Hamid Karsai weitere Hilfe für den Aufbau des Landes zu. Eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in den Süden lehnt die Bundesregierung aber weiterhin ab.

Bundeswehr in den Startlöchern

Die Bundeswehr ist nach Auskunft des Kommandeurs der in Niedersachsen stationierten 1. Panzerdivision, Wolf Langheld, bereits für die Entsendung einer schnellen Eingreiftruppe gerüstet. Langheld sagte: "Wenn der Auftrag kommt, werden wir in der Lage sein, Soldaten mit der entsprechenden Ausbildung nach Afghanistan zu schicken." Dafür würden etwa 250 Soldaten zur Verfügung gestellt. Deutschland stellt insgesamt bis zu 3500 Soldaten für die Internationale Schutztruppe ISAF bereit.

Bundestagsmehrheit nickt ab

Auch im Bundestag wird fest mit einer Zusage an die NATO gerechnet. FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger sagte allerdings, eine Entscheidung für die Übernahme dieser Aufgabe sei nur verantwortbar, wenn Ausstattung und Ausrüstung dem Auftrag angemessen seien. Außerdem müsse die Bundesregierung die Sachlage "ehrlich" darstellen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte, es handele sich um einen "klaren Kampfauftrag". Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, sagte: "Die Regierung verstrickt Deutschland endgültig in den völkerrechtswidrigen Krieg in Afghanistan." Damit treibe sie selbst die Spirale der Gewalt voran.

"Deutschland muss sich auf Tote einstellen"

Bei dem Kampfverband geht es um eine im deutschen Verantwortungsbereich im Norden des Landes stationierte schnelle Eingreiftruppe. Diese wird seit Anfang 2006 von Norwegen gestellt. Im Sommer will Norwegen die Verantwortung für die QRF an eine andere Nation abgeben. Der derzeitige Truppenchef Rune Solberg hatte in einem Interview gesagt, die Deutschen müssten sich auf Tote einstellen. Die Soldaten müssten darauf vorbereitet sein, Krieg zu führen und das eigene Leben zu verlieren. Seine Truppe sei bestens trainiert, ihr habe jedoch eine solche mentale Vorbereitung gefehlt, erläuterte der norwegische Oberstleutnant.

Nach deutschen Angaben hat die norwegische QRF bislang keine Todesopfer zu beklagen. Aber auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, hatte gesagt: "Ich hoffe, es geschieht nicht, aber wir müssen damit rechnen, dass nach einem solchen Kampf auch Kameraden in Holzkisten zurückkommen." Er sieht die deutschen Soldaten für den neuen Kampfeinsatz nicht gut genug ausgerüstet. Für die Beschaffung von weiteren gepanzerten Fahrzeugen und neuen Kommunikationsmitteln müsse zusätzlich eine Milliarde Euro ausgegeben werden. Jung wies Ausstattungsmängel zurück.

QRF-Soldaten sollen immer dann eingreifen, wenn Wiederaufbauteams in den Nordprovinzen des Landes militärisch unter Druck geraten. Der Kampfverband kann auch gegen Terroristen vorgehen und mögliche Evakuierungen absichern. Schnelle Eingreiftruppen der NATO verfügen über Fahrzeuge mit leichter und schwerer Bewaffnung wie Maschinengewehre, Mörsergranaten und Raketenwerfer. Zudem haben sie eigene Sanitäts- und Logistikeinheiten.

"Schützen, helfen, vermitteln und kämpfen"

Jung sagte in Kabul, die Bundeswehr würde in Afghanistan schon jetzt "schützen, helfen, vermitteln und kämpfen". Er kündigte an, Deutschland werde sich stärker bei der Ausbildung der afghanischen Polizisten und Soldaten engagieren. Das hatte auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Besuch in Afghanistan im vergangenen Herbst angekündigt. Nach Ansicht der Grünen haben Deutschland und die Europäische Union aber gerade beim Polizeiaufbau bisher "kläglich versagt". Derzeit seien sogar weniger deutsche Polizisten als 2007 in Afghanistan, sagte der Abgeordnete Winfried Nachtwei. Im vorigen Jahr waren es 40 Kräfte. Nun seien es nur noch 15.

Jung sagte, Karsai habe den Einsatz der Bundeswehr und vor allem ihre Hilfe beim Aufbau der Infrastruktur gewürdigt. Es werde oft vergessen, was in Afghanistan seit dem Sturz des Taliban-Regimes alles erreicht worden sei. Mädchen könnten wieder zur Schule gehen, die Versorgung mit Strom, Wasser und Medizin sei enorm verbessert worden, Millionen Flüchtlingen kehrten zurück. Jung: "Ich freue mich, dass wir hier Unterstützung für die afghanische Regierung leisten können."

Quelle: ntv.de

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