Politik

Der Kriegstag im Überblick Nawalny stellt Gazprom-Boss Miller bloß - Selenskyj besucht die Süd-Front

Auch aus verschärfter Straflagerhaft bleibt Nawalny für die Putin-Clique in Moskau gefährlich.

Auch aus verschärfter Straflagerhaft bleibt Nawalny für die Putin-Clique in Moskau gefährlich.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Anders als der Kreml-Chef wagt sich der ukrainische Präsident an die Front. Erstmals spricht Selenskyj Soldaten im Süden des Landes direkt Mut zu. Dort bedroht das russische Militär Odessa. Putins inhaftierter Widersacher Nawalny zeigt den obszönen Reichtum von Gazprom-Boss Miller. Bundeskanzler Scholz will in seiner Russland-Politik alles richtig gemacht haben. Der 115. Kriegstag im Überblick.

Selenskyj dankt für heroischen Dienst

Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Frontlinie in der Südukraine besucht. Auf einem offiziellen Video ist zu sehen, wie Selenskyj ein schwer beschädigtes Gebäude der Regionaladministration in Mykolajiw inspiziert. Mykolajiw ist ein wichtiges militärisches Ziel der russischen Truppen. Die Einnahme der Stadt würde den Weg nach Odessa, der wichtigsten ukrainischen Hafenstadt, freimachen. Mykolajiw liegt zudem unweit der Region Cherson, die gänzlich unter Kontrolle der russischen Truppen steht.

Nach Angaben seines Präsidialbüros besuchte Selenskyj weitere ukrainische Stellungen in der Region sowie in der benachbarten Region Odessa. "Ich möchte Ihnen im Namen des ukrainischen Volkes, im Namen unseres Staates, für Ihre großartige Arbeit, für Ihren heroischen Dienst danken", sagte er zu Soldaten. Auf der Gegenseite hat Russlands Präsident Wladimir Putin erst einen öffentlichen Auftritt mit Soldaten absolviert - als er Verletzte in einem Moskauer Krankenhaus besuchte.

Kollaborateur in Cherson verletzt

In der besetzten Stadt Cherson kam es offenbar zu einem Anschlag auf einen Kollaborateur. Wie die "Ukrainska Prawda" berichtete, soll sich der Sprengstoff an einem Baum befunden haben. Die russischen Besatzer sprachen demnach von einer Tat "ukrainischer Partisanen". Laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti soll es sich um ein Attentat auf Jewhen Soboliew gehandelt haben, den Leiter eines Gefängnisses im russisch besetzten Cherson, der auf die russische Seite gewechselt war. Er soll mit Verletzungen im Krankenhaus liegen.

Heftiges Feuer im Donbass und Sjewjerodonezk

Derweil gingen die Kämpfe im ostukrainischen Donbass unvermindert weiter. Die pro-russischen Separatisten in Donezk meldeten fünf tote und zwölf verletzte Zivilisten durch ukrainischen Artilleriebeschuss. Donezk ist der Hauptort der selbsternannten Republik Donezk. "Seit dem Morgen zielen massive feindliche Bombardements auf die Hauptstadt der Volksrepublik", erklärte das Militär der Separatisten. Im Laufe des Tages seien mehr als 200 Artilleriegeschosse niedergegangen. Russische Nachrichtenagenturen berichteten, ein Kino und ein Café im Stadtzentrum seien getroffen worden.

Die Schlacht um die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk wird nach ukrainischen Angaben mittlerweile zunehmend in den umliegenden Dörfern ausgetragen. "Unsere Verteidiger kämpfen in allen Richtungen gegen die Russen", erklärte der Regionalgouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj. Nach seinen Angaben steht das Stadtgebiet von Sjewjerodonezk weiterhin nicht unter vollständiger russischer Kontrolle. Für die Menschen im benachbarten Lyssytschansk werde die Lage unterdessen immer gefährlicher: Da es den russischen Truppen nicht gelinge vorzurücken, "beschießen sie die Stadt einfach aus der Luft", erklärte Hajdaj. Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) hatte am zuvor mitgeteilt, Sjewjerodonezk habe kaum noch Zugang zu sauberem Wasser, Nahrungsmitteln und Strom. Die humanitäre Lage in vielen Teilen der Ostukraine sei "extrem alarmierend".

Russen versuchen Einnahme von Isjum

Das russische Militär versuchte in den vergangenen 48 Stunden nach britischen Angaben offenbar erneut, südlich der im Osten der Ukraine gelegenen Stadt Isjum vorzurücken. Ziel der russischen Armee sei es, weiter in die Region Donezk vorzudringen und die umkämpfte Stadt Sjewjerodonezk von Norden her einzukesseln, teilte das Verteidigungsministerium in London unter Verweis auf den britischen Militärgeheimdienst mit.

Raketen auf Zentralukraine

In der Stadt Krywji Rih im Zentrum der Ukraine sind nach Angaben der örtlichen Behörden Raketen eingeschlagen. Es gebe mindestens zwei Opfer, teilen die Behörden bei Telegram mit. Es sei ein Bezirk im Süden der Stadt getroffen worden. Krywji Rih liegt in der Region Dnipropetrowsk.

Gazprom drosselt Turkstream

Das russische Energieunternehmen Gazprom wird ab Dienstag für eine Woche den Gastransport durch die Pipeline Turkstream stoppen. Dies kündigte das Unternehmen auf Twitter an. Grund seien jährliche Instandhaltungsarbeiten, die Einstellung der Gaslieferung sei mit allen Seiten abgesprochen. Durch die Pipeline fließt russisches Gas in die Türkei und nach Süd- und Südosteuropa.

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sieht in der Drosselung der Gaslieferungen nach Europa eine klare Strategie Russlands. "Russland liefert nun seit Tagen deutlich weniger Gas nach Deutschland und nach Europa. Das soll uns verunsichern und die Preise treiben", sagte Müller. "Deshalb organisiert die Bundesregierung zusätzliches Flüssiggas und das Gasspeichergesetz wirkt. Gas einsparen und einspeichern für den Winter ist jetzt das Gebot der Stunde."

Nawalny-Team enthüllt Luxus-Schloss von Miller

Passend zur Gasverknappungsstrategie des Kreml zeigte das Team des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny den sagenhaften Reichtum von Gazprom-Chef Alexej Miller. Dem Bericht zufolge wohnt er in einem 240-Millionen Dollar teuren Palast mit einer Wohnfläche von rund 8500 Quadratmetern. Insgesamt soll Miller, ein enger Weggefährte von Putin und mitverantwortlich für die gedrosselten Gaslieferungen nach Europa, über Immobilien im Wert von mehr als 750 Millionen verfügen.

Johnson warnt vor Ukraine-Müdigkeit

Großbritannien wird die Ukraine nach den Worten des britischen Premierministers weiterhin langfristig unterstützen. Boris Johnson warnte vor einer "Ukraine-Müdigkeit" während des sich hinziehenden Krieges. "Die Russen schreiten Stück für Stück voran, und es ist wichtig für uns zu zeigen, was wir für wahr halten, nämlich dass die Ukraine gewinnen kann und gewinnen wird", sagte Johnson nach seiner Rückkehr aus Kiew vor der Presse. Er reagierte damit auf Kritik aus den Reihen seiner Konservativen Partei, dass er in die Ukraine gereist sei, anstatt an einer Konferenz in Nordengland teilzunehmen.

Scholz: Habe wie Merkel keine Fehler gemacht

In einem Interview schloss sich Bundeskanzler Olaf Scholz der Ansicht von Angela Merkel an, in der Russland-Politik nichts falsch gemacht zu haben. "Der Versuch einer Aussöhnung kann nie falsch sein und der Versuch, friedlich miteinander zurechtzukommen, auch nicht. Da sehe ich mich eng an der Seite meiner Vorgängerin", sagte Scholz. "Ein Fehler der deutschen Wirtschaftspolitik war es aber, dass wir unsere Energieversorgung zu sehr auf Russland konzentriert haben, ohne die nötige Infrastruktur zu bauen, dass wir im Falle eines Falles schnell umsteuern können. Als Bürgermeister von Hamburg habe ich mich schon seit langem dafür eingesetzt, an der norddeutschen Küste Flüssiggas-Terminals zu bauen. Nun müssen wir das rasch nachholen."

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Quelle: ntv.de, mau/AFP

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