Politik

Linke demonstrieren in Mügeln Nazis als Standortnachteil

Der Gewaltexzess gegen acht Inder im sächsischen Mügeln hat parteiübergreifend einen Sturm der Entrüstung ausgelöst und die Debatte über Rechtsextremismus in Ostdeutschland neu entfacht. Während die Polizei offiziell weiter in alle Richtungen ermittelt, bezeichneten Politiker von CDU und SPD ausländerfeindliche Gewalt im Osten als ernst zu nehmendes Problem. Unionsfraktionschef Volker Kauder und der für den Aufbau Ost zuständige Bundesminister Wolfgang Tiefensee (SPD) riefen zu mehr Zivilcourage auf. Unterdessen meldeten sich weitere Zeugen bei der Polizei. Linke Demonstranten forderten in Mügeln, den "Naziterror" zu stoppen.

Die indische Botschafterin in Deutschland, Meera Shankar, äußerte sich "sehr besorgt" über den Angriff auf ihre Landsleute. Die deutsche Botschaft sei dabei, Kontakt zu den Opfern aufzunehmen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Neu-Delhi. Im Gespräch mit der Bundesregierung habe man verlangt, dass solche Übergriffe in Zukunft verhindert würden.

"Menschen mit dunkler Hautfarbe haben in Ostdeutschland ein um ein vielfach höheres Risiko, Opfer eines Übergriffs zu werden, als in Westdeutschland", sagte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy (SPD). Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sprach von einem "besonderen ostdeutschen gewalttätigen Akzent" beim Rechtsextremismus. Aber auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), zeigte Verständnis dafür, dass der Osten angesichts solcher Exzesse als fremdenfeindlicher gelte als Westdeutschland: "Die Zahl der ausländischen Mitbürger ist bei uns deutlich geringer, und trotzdem ist die Zahl der Aversionsakte sehr hoch."

Linke Demo in Mügeln

Rund 200 Menschen aus der linken Szene haben am Dienstagabend gegen die Hetzjagd demonstriert. Die Spontandemonstration sei kurzfristig von den zuständigen Behörden genehmigt geworden, sagte ein Sprecher des Lagezentrums im Innenministerium in Dresden. Die Demonstranten gehörten teils zum sogenannten Schwarzen Block. Der Protest verlief dem Sprecher zufolge "im Wesentlichen störungsfrei".

Einige Teilnehmer seien aus Leipzig und Dresden angereist. Auch Vertreter des Landratsamtes seien vor Ort gewesen und hätten den Protestzug auf den Straßen der kleinen Gemeinde beobachtet. Die Demonstranten forderten unter anderem "Naziterror stoppen". Die Polizei war mit zusätzlichen Mannschaftswagen vor Ort. Viele Demonstranten trugen dunkle Kleidung und zogen auch an der Pizzeria "Picobello" vorbei, in der in der Nacht zum Sonntag die bedrohten Inder Zuflucht gesucht hatten.

Immer mehr Zeugen melden sich

Die von den Medien verbreiteten Zeugenaufrufe zeigten am Dienstag Wirkung: Es hätten sich mehrere Bürger gemeldet, die zu den Geschehnissen Auskunft geben wollten, teilte die Polizeidirektion Westsachsen mit. Die Vernehmungen und weitere Befragungen von Volksfest-Teilnehmern dauerten an. Auch die Inder würden noch einmal gehört. Die zwei Festgenommenen befänden sich inzwischen wieder auf freiem Fuß. Auch habe ein verletzter Inder das Krankenhaus inzwischen verlassen können.

Kritik am Bürgermeister

Der Bürgermeister von Mügeln, Gotthard Deuse (FDP), sagte, es habe sich herausgestellt, "dass es wahrscheinlich keinen rechtsextremen Hintergrund gibt, sondern dass ausländerfeindliche Parolen gesagt worden sind". Seine These, es gebe keinen Rechtsextremismus in der Stadt und der Vorfall sei eher Auswärtigen zuzuschreiben, stieß auf deutliche Kritik. Der Bürgermeister bestätigte, dass ein Jugendlicher schon Wochen vor dem Stadtfest von einem bevorstehenden Zwischenfall mit rechtsradikalem Hintergrund gesprochen habe. Der recht unbestimmte Hinweis sei an die Polizei weitergeben worden.
Tiefensee nannte es in Berlin unerträglich und nicht hinnehmbar, dass ausländische Mitbürger durch eine große Menge aufgeheizter Menschen durch die Stadt getrieben würden und um ihr Leben fürchten müssten. Bei der Aufklärung müsse alles vermieden werden, was den Eindruck einer Verharmlosung oder Verniedlichung der Vorgänge erwecken könne.

Irritationen in Indien

Die Hetzjagd in Westsachsen sorgt nach einem Bericht von Innenpolitiker Edathy auch in Indien für Aufsehen. "Das wird hier sehr wohl wahrgenommen", sagte der SPD-Politiker. Edathy, dessen Vater Inder war, hält sich derzeit zu politischen Gesprächen in Indien auf. "Radio und Fernsehen berichten. Und viele Zeitungen haben es auf Seite eins", wurde Edathy zitiert. Er sei von indischen Abgeordneten auf das Ereignis angesprochen worden. "Das sorgt hier für Irritationen. Solche Nachrichten helfen dem Investitionsstandort Deutschland nicht. Das ist ganz offensichtlich."

Quelle: ntv.de

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