Energietalk bei "Hart aber fair" Neues Heizungsgesetz vielleicht nicht im Sommer
23.05.2023, 03:44 Uhr Artikel anhören
"Ist die Energiewende in Gefahr?", fragt Louis Klamroth seine Gäste bei "Hart aber fair".
(Foto: WDR/Thomas Ernst)
Die Ampelkoalition streitet darüber, wann das neue Heizungsgesetz beschlossen werden soll. Grüne und SPD wollen es vor der Sommerpause durch den Bundestag bringen. Die FDP hat es weniger eilig. Nötig sei eine Neuregelung aber in jedem Fall, betont Fraktionschef Dürr bei "Hart aber fair".
Das Chaos ist perfekt. Die Ampelkoalition ist uneins darüber, ob das neue Heizungsgesetz noch vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen werden soll. Unklar ist, ob es wirklich zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Mittlerweile ist nicht einmal mehr sicher, dass es diese Woche im Bundestag zum ersten Mal diskutiert wird. Stand heute ist nur klar: Das Gesetz soll irgendwann kommen. Was am Ende geregelt wird, weiß niemand so genau. Diesen Eindruck jedenfalls werden die meisten Zuschauer nach der ARD-Sendung "Hart aber fair" haben. "Diese Diskussionen nützen allein der AfD", sagt die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, im Laufe der Sendung. Das hält sie jedoch nicht davon ab, die Diskussion immer wieder zu befeuern.
"Werden jetzt alle Compliance-Regeln eingehalten?"
Auch im Fall Graichen wirkt es nicht immer glaubwürdig, wenn Klöckner den Grünen Klimalobbyismus vorwirft. Immerhin stand auch die einstige Landwirtschaftsministerin der Großen Koalition im Verdacht, mit der Lebensmittelindustrie zu kungeln.
Doch der Fall macht auch den Grünen zu schaffen. So gerät die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt in Erklärungsnot. "Es macht wenig Sinn, sich im Nachgang damit zu beschäftigen", sagt sie bei "Hart aber fair", stellt jedoch gleich danach die Frage: "Werden jetzt alle Compliance- und Transparenzregeln eingehalten?" Oder, etwas verständlicher: Die Politikerin pocht darauf, dass alle gesetzlichen Bestimmungen befolgt werden. "Das Wirtschaftsministerium schaut darauf wie kein anderes. Und das ist auch richtig so", so Göring-Eckardt. Niemand im Wirtschaftsministerium habe sich bereichert, fügt die Grünen-Politikerin hinzu. Dennoch hält sie die Entscheidung von Wirtschaftsminister Habeck für richtig, Graichen zu entlassen.
Doch das Habeck-Ministerium kommt aus den Negativschlagzeilen nicht hinaus. So hatte das Magazin "Business Insider" über den Staatssekretär Udo Philipp berichtet. Ihm wird vorgeworfen, einen Fondsmanager, an dessen Fond er Anteile besitzt, in ein Beratergremium des Ministeriums berufen zu haben.
"Uns hat der Fall Graichen ungeheuer geärgert, weil der Verdacht besteht, dass sich da gegenseitig Posten zugeschanzt wurden", kritisiert FDP-Fraktionschef Christian Dürr den Koalitionspartner. "Das ärgert auch alle Menschen in Deutschland, weil der Eindruck entsteht, dass sich die Politik mit sich selbst beschäftigt und nicht mit den Herausforderungen des Landes", fügt Dürr hinzu.
"Wir brauchen dringend ein neues Gesetz"
Zu diesen Herausforderungen gehört zweifellos die Wärmewende in Häusern und Wohnungen. Die regelt das Gebäudeenergiegesetz, umgangssprachlich "Heizungsgesetz" genannt. "Das wird jetzt im parlamentarischen Verfahren bearbeitet, beraten und auch sehr schnell beschlossen", ist sich Göring-Eckardt sicher.
"Wir brauchen dringend ein neues Gebäudeenergiegesetz", findet auch Dürr. Mit dem bisherigen Gesetz der Großen Koalition würden die Bundesbürger in eine Kostenfalle getrieben werden. Das gelte aber auch für das aktuelle Gesetz, wenn es um Wärmepumpen und den Umbau der Häuser gehe. Dürr fordert noch mehr Energieoffenheit und eine allgemeine finanzielle Förderung beim Einbau neuer Heizungen. "Ich halte eine superkomplizierte Förderung für falsch, bei der man eine Einkommens-, Vermögens- oder Erbschaftsprüfung machen muss." Schlussendlich bedeutet das: Auch Menschen mit sehr hohen Einkommen sollen nach Dürrs Ansicht beim Einbau einer neuen Heizung Geld vom Staat bekommen. Geld, von dem die Grünen nicht einmal wüssten, wo es herkommt, kritisiert Dürr.
"Sie haben sich Fortschrittskoalition genannt. Wenn ich eine Fortschrittskoalition will, dann wünsche ich mir die alte zurück", spottet Klöckner. Sie wirft der Ampelkoalition vor, ein unfertiges Gesetz in den Bundestag einbringen zu wollen. "Es braucht ein neues Gesetz, und das muss das Habeck-Ministerium neu aufsetzen", fordert sie. Klöckner kritisiert zum Beispiel, dass Menschen erst mit 80 Jahren von der Pflicht entbunden werden sollen, eine neue Heizung einbauen zu lassen. "Und was machen die 79-Jährigen?", fragt sie. Wichtiger jedoch: Sie möchte, dass zuerst die kommunale Wärmeplanung feststeht. Dann erst solle das Heizungsgesetz wirksam werden, damit die Hausbesitzer genügend Zeit zu planen hätten, welchen neuen Heizungstyp sie in ihr Haus einbauen wollen. Bis dahin möchte sie den Bürgern zwar vom Einbau neuer Gasheizungen abraten, aber sie will ihn nicht verbieten.
Auch FDP-Fraktionschef Dürr will das Gesetz zunächst verschieben. Eine Prognose, ob es noch vor der Sommerpause das parlamentarische Verfahren durchläuft, will er nicht abgeben.
Göring-Eckardt ist sich dagegen völlig sicher: "Es ist vernünftig, dass das Gesetz vor dem Sommer kommt, damit die Leute im Sommer wissen, auf welche Förderungen und auf welche technischen Möglichkeiten sie sich einstellen müssen. Das finde ich wirklich fair den Menschen gegenüber."
Und die Grünen hätten vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern ein unbequemes Diskussionsthema vom Tisch.
Quelle: ntv.de