Zuwanderungsgesetz Neues Spiel, neues Glück
18.12.2002, 21:22 UhrDie Bundesregierung will das Zuwanderungsgesetz "so, wie es ist" erneut auf den Weg bringen. Das kündigte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Mittwoch an. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht verkündet, das Gesetz sei verfassungswidrig verabschiedet worden. Es kann daher nicht zum 1. Januar 2003 in Kraft treten.
Schröder erklärte, das Karlsruher Urteil betreffe nicht die Inhalte des Gesetzes, sondern nur das Verfahren, wie es zustande kam. Die Eckpunkte des Gesetzes seien "so gut und so richtig", dass er davon ausgehe, dass man es auch durch den Bundesrat bringen werde, sagte Schröder gegenüber n-tv.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erklärte, er wolle das Gesetz bereits im Januar wieder in den Bundestag einbringen. Er sei zuversichtlich, dass im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss mit der Union gefunden werde. CDU und CSU haben in der Länderkammer die Mehrheit.
Die Grünen forderten, die Substanz des Gesetzes nicht anzugreifen. Die Union hingegen machte ihre Zustimmung von weit gehenden Zugeständnissen der Regierung abhängig. "Wir werden diesem Gesetz auf keinen Fall zustimmen, weil es die Zuwanderung nicht begrenzt", sagte etwa Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Industrie, Gewerkschaften und Kirchen appellierten an die Politik, schnell zu einer Lösung zu kommen.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kündigte unterdessen an, die Zuwanderung auch im kommenden Wahlkampf zu thematisieren. Die Hessen sollten mit entscheiden, "ob Rot-Grün im Bundesrat durchmarschieren kann", sagte Koch im Hessischen Rundfunk.
Karlsruhe hat entschieden
Das Bundesverfassungsgericht hatte der Klage von sechs unionsgeführten Ländern gegen das Zustandekommen des Zuwanderungsgesetzes stattgegeben. Die Richter mussten über die Rechtmäßigkeit der Abstimmung über das Gesetz in der tumultartigen Bundesratsabstimmung am 22. März entscheiden: Hatte das Land Brandenburg dem Gesetz zugestimmt, weil der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) die gegensätzlichen Voten zweier Minister mit seinem "Ja" niederstimmte? Oder war die Stimmabgabe Brandenburgs ungültig, weil jedes Bundesland im Bundesrat nur einheitlich abstimmen darf?
Brandenburgs Votum war ungültig, entschieden die Richter. Zur Begründung verwiesen sie darauf, dass die Länder jeweils durch ihre anwesenden Bundesratsmitglieder vertreten werden. Dabei gehe das Grundgesetz von der einheitlichen Stimmabgabe aus. Der Abgabe der Stimmen durch einen Stimmführer könne jederzeit durch ein anderes Bundesratsmitglied desselben Landes widersprochen werden. Damit entfielen aber die Voraussetzungen der Stimmführerschaft.
Die Uneinheitlichkeit der Stimmabgabe Brandenburgs sei durch den weiteren Abstimmungsverlauf nicht beseitigt worden. Der damalige Bundesratspräsident, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), habe nach seiner Feststellung, dass das Land Brandenburg uneinheitlich abgestimmt habe, nicht das Bundestagsmitglied Stolpe fragen dürfen, wie das Land Brandenburg abstimme. Der Wille des Landes Brandenburg zur uneinheitlichen Abstimmung habe klar zutage gelegen. "Es bestand Klarheit über den Dissens."
Votum der Richter nicht einstimmig
Zwei Richter des achtköpfigen Zweiten Senats gaben ein von der Mehrheitsmeinung abweichendes Votum ab. Die Richterinnen Lerke Osterloh und Gertrude Lübbe-Wolff argumentierten, die Nachfrage an Stolpe sei zulässig gewesen. Und in diesem zweiten Durchgang sei es auf die zuvor uneinheitlich abgegebenen Stimmen nicht mehr angekommen. Das Land habe dabei einheitlich abgestimmt, und Innenminister Jörg Schönbohm habe der Ja-Stimme des Ministerpräsidenten Stolpe lediglich die Worte "Sie kennen meine Auffassung, Herr Präsident " entgegengesetzt.
Quelle: ntv.de