Abrechnung in Kambodscha Nicht lebenslang für Folterchef
26.07.2010, 16:50 UhrReichlich 30 Jahre nach der Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha fällt das erste Urteil. 35 Jahre Haft, nicht lebenslang, verhängt das Tribunal gegen den Folterchef des Regimes und erlässt Kaing Guek Eav gleich noch 16 Jahre wegen wiederfahrenen Unrechts und Anrechnung von Untersuchungshaft. Wenn er lange genug lebt, kann der 67-Jährige vielleicht noch ein paar Jahre in Freiheit genießen.

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Erstmals ist in Kambodscha mit dem früheren Chef eines berüchtigten Foltergefängnisses, Kaing Guek Eav alias Duch, ein führendes Mitglied der kommunistischen Roten Khmer verurteilt worden. Das Sondertribunal in der Hauptstadt Phnom Penh verurteilte den 67-Jährigen zu 35 Jahren Gefängnis, die aber umgehend um fünf Jahre wegen illegaler Haft reduziert wurden. Tatsächlich absitzen muss Duch aber wohl nur 19 Jahre.
Duch war während der Herrschaft der Roten Khmer zwischen 1975 und 1979 Leiter des Foltergefängnisses Tuol Sleng (S-21) in Phnom Penh. Dort wurden bis zu 15.000 Menschen gefoltert und auf einem nahegelegenen "Killing Field" hingerichtet. Das Sondertribunal sprach den Gefängnisaufseher der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie der Kriegsverbrechen während des Pol-Pot-Regimes in dem südostasiatischen Land für schuldig. Für einen Schuldspruch wegen von Duch ausgeführter Folter sahen die Richter nicht genügend Beweise.
Haftstrafe kräftig verringert
Duch war unter anderem wegen Kriegsverbrechen, Folter und vorsätzlichen Mordes angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hatte 40 Jahre Haft gefordert. Zunächst sprach das Gericht eine Haftstrafe von 35 Jahren aus. Da Duch jedoch nach Einschätzung der Richter bereits vor der Einrichtung des Sondergerichts illegal in Haft gehalten worden war, reduzierten sie die Strafe auf 30 Jahre. Zudem werden die elf Jahre Haft angerechnet, die Duch seit seiner Festnahme 1999 im Gefängnis saß. So könnte er in 19 Jahren aus der Haft entlassen werden.
Opfer über Urteil empört

Duch versuchte, das Gericht durch "Entschuldigungen" von seiner Reue zu überzeugen.
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Opfer und Hinterbliebene reagierten enttäuscht auf den Urteilsspruch. "Millionen Menschen wurden getötet, Millionen Dollar für den Prozess ausgegeben, aber der Mörder könnte wieder freigelassen werden", empörte sich der 79-jährige Tuol-Sleng-Überlebende Chum Mey. "Es wurde keine Gerechtigkeit gesprochen." Auch der Gründer von Kambodschas Zentrum für Gerechtigkeit und Versöhnung, Theary Seng, kritisierte das Urteil als zu mild. Es könne kein Urteil hingenommen werden, wonach Duch möglicherweise wieder frei komme, sagte der Sohn von Opfern der Roten Khmer. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte das Urteil, nannte den Prozess jedoch "nur den ersten Schritt in Richtung Gerechtigkeit" in Kambodscha.
Duch fordert Freispruch
Unter der Herrschaft der Roten Khmer waren in den 1970er Jahren zwei Millionen Menschen ums Leben gekommen, ein Viertel der kambodschanischen Bevölkerung. Duch gestand im Prozess zwar seine Schuld an den in Tuol Sleng begangenen Verbrechen ein, stellte sich aber als kleines Rädchen im Getriebe dar. Zum Abschluss der Anhörungen im vergangenen November überraschte er mit der Forderung nach einem Freispruch. Hinter einer kugelsicheren Spezialwand verfolgte er die Verlesung des Urteils, die im kambodschanischen Fernsehen live übertragen wurde.
Duch ist einer der wenigen Führer des früheren kommunistischen Regimes, die noch am Leben sind. Gegen vier weitere Führungsmitglieder soll im nächsten Jahr der Prozess beginnen. Ihr Anführer Pol Pot, unter dessen Herrschaft die Roten Khmer ihre Vorstellungen vom Kommunismus mit rücksichtloser Härte durchsetzten, starb 1998.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts