Tiefer Griff in die Trickkiste Niebel schraubt an Hilfszusagen
29.12.2012, 09:46 Uhr
Dirk Niebel prüft, wie er ohne zusätzliches Geld die deutschen Hilfszusagen erfüllen kann.
(Foto: picture alliance / dpa)
Sieben Tausendstel seiner Ausgaben soll Deutschland für Entwicklungshilfe ausgeben – ein Wert, der bislang nicht annähernd erreicht wird. Minister Dirk Niebel sieht das Ziel ernsthaft gefährdet und will darum nun tricksen. So soll etwa der Wert von Militäreinsätzen im Ausland einberechnet werden.
Entwicklungsminister Dirk Niebel hat Zweifel daran, dass Deutschland seine internationalen Hilfszusagen einhalten wird. Zugesagt war, dass bis zum Jahr 2015 die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit auf 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. "Ich will schauen, ob ich die Ziele, die andere Regierungen vor langer Zeit versprochen haben, mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln schaffe. Wir sind da sehr innovativ", sagte FDP-Politiker Niebel. "Ich gebe aber zu bedenken, dass bis 2015 nicht mehr viel Zeit ist und ein Zuwachs von etwa sieben Milliarden Euro notwendig wäre. Das ist eine sehr sportliche Herausforderung."
Aus Sicht Niebels sollte auch klar gesagt werden, dass Zusagen nicht mehr eingehalten werden können, sollte der Bundestag bei seinen Etatentscheidungen weiter andere Prioritäten setzen: "Ich bin der Ansicht: Wenn ein Pferd tot ist, muss man auch einmal absteigen." Er könne sich nicht vorstellen, dass das Parlament in den Jahren 2014 und 2015 sieben Milliarden Euro zusätzlich bereitstellt. "Deswegen heißt es nicht, dass ich das Ziel aufgebe."
Fortschritt durch Finanztransaktionssteuer?
Deutschland hatte sich wie andere Industrienationen erstmals 1970 und dann 2005 zu einem Zeitplan verpflichtet, um das 0,7-Prozent-Ziel der Vereinten Nationen einzuhalten. Die Entwicklungsausgaben ("ODA-Quote") sollten demnach bis 2010 auf 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens und bis 2015 auf 0,7 Prozent steigen.
Davon ist Deutschland weit entfernt: Zuletzt lag die "ODA-Quote" bei etwa 0,4 Prozent. Der Etatentwurf der Bundesregierung sah für 2013 zwar Mehrausgaben vor. Der Bundestag kürzte den Etat aber in den Haushaltsberatungen. Insgesamt verfügt Niebels Ministerium damit 2013 über knapp 6,3 Milliarden Euro.
Niebel plädiert dafür, die Einnahmen aus der von mehreren EU-Staaten geplanten Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte für Entwicklungszusammenarbeit zu nutzen. Auch sollte stärker auf eine Mischung von "Haushalts- und Marktmitteln" gesetzt werden, um näher an die ODA-Quote heranzukommen. Grundsätzlich müsse bei der Berechnung der Quote über neue Kriterien gesprochen werden.
Erfolg senkt ODA-Quote
So sinkt Niebel zufolge jedes Mal die ODA-Quote, wenn ein Entwicklungskredit von einem Land zurückgezahlt wird. Nach Niebels Angaben sind das jährlich 400 Millionen Euro. Platze aber ein faules Darlehen, werde dies als Entwicklungsausgabe angerechnet. "Wenn man ein Projekt vergeigt und den Kredit abschreibt, steigt die ODA-Quote. Dadurch, dass man Erfolge erzielt, sinkt sie. Das ist widersinnig."
Besonders ärgerlich sei dies bei gelungenen Projekten, bei denen der Staat private Investitionen kofinanziert, sagte Niebel. Der internationale Flughafen in der albanischen Hauptstadt Tirana sei so ein Beispiel. Dieses Projekt habe funktioniert, das Unternehmen habe sich entwickelt. Wenn jetzt die Investoren aussteigen und mit dem Verkauf Gewinn erzielen, fließe dieser zurück und drücke anschließend die ODA-Quote Deutschlands.
Niebel zufolge sollten auch Kosten des Staates für die steuerliche Begünstigung von Spenden der Bürger angerechnet werden können: "Schließlich ist das eine Leistung, die der Steuerzahler erbringt." Als Entwicklungsleistung sei auch einzustufen, wenn das Regionale Wiederaufbauteam im nordafghanischen Faisabad von Einheimischen zivil als Bildungsstätte genutzt wird. Angerechnet werden könnte zudem der Bundeswehreinsatz im Kongo zur Absicherung fairer Wahlen.
Quelle: ntv.de, dpa