Politik

"Frau aus Stahl" getroffen Obama gelingt Coup

So etwas nennt man Spielverderberei. Gerade hatte Hillary Clinton am Mittwoch nach ihrem Vorwahl-Triumph im Staat West Virginia eine ganze Reihe von Fernsehinterviews absolviert, für den Abend stand noch ein Empfang für ihre wichtigsten Wahlkampf-Spender in ihrem Privathaus an Washingtons vornehmer Whitehaven Street auf dem Programm. Doch der Tag, der ihrem strauchelnden Wahlkampf gegen Barack Obama neuen Schwung verleihen sollte, endete mit einem bitteren Rückschlag. John Edwards, Ex-Kandidat und Schwergewicht der Demokratischen Partei, schloss sich der Kampagne ihres Rivalen Obama an. Er gab damit ein Signal an die Partei: Das Rennen ist vorbei, Obama steht als Präsidentschaftskandidat so gut wie fest.

"Die Demokraten haben ihre Entscheidung getroffen, und ich auch", sagte Edwards bei seinem Überraschungsauftritt auf einer Obama-Kundgebung im Bundesstaat Michigan. Hillary Clinton dürfte den Pakt zwischen Obama und Edwards als Dolchstoß empfinden: Seit Edwards Ende Januar seine engagierte, aber erfolglose Kandidatur aufgab, hatten Hillary und Bill Clinton den angesehenen Ex-Senator hofiert. Clinton ließ einige von Edwards Kernforderungen zum Kampf gegen Armut und für Arbeitnehmerrechte in ihre Wahlkampfreden einfließen. Dass sich Edwards den Avancen verwehrte, macht deutlich, wie die Zugkraft der einstmals mächtigen Clintons inzwischen geschwunden ist.

Establishment rückt ab

Mit seiner Wahlempfehlung für Obama machte sich Edwards zum Vorreiter eines Trends, der das Marathon-Duell zwischen Clinton und Obama bald zu Ende bringen dürfte: Clinton verlor erst die Unterstützung vieler demokratischer Wähler, nun verliert sie auch die Unterstützung des Partei-Establishments. Genug des Zanks, nun muss die Partei geschlossen gegen die Republikaner antreten, das war Edwards' Botschaft.

"Wenn dieser Nominierungskampf vorbei ist, was bald der Fall sein wird, müssen wir als Demokraten zusammenkommen und im Herbst für das einstehen, was uns wichtig ist", sagte Edwards. Die Reaktion des Publikums in Michigan zeigte, wie sehr die Partei nach dem harten Wahlduell gespalten ist. Es buhte laut, als Edwards Clinton Anerkennung zollte und sie als "Frau aus Stahl" pries.

Starker Verbündeter

Obama ist mit der Anwerbung von Edwards ein Coup geglückt. Seine Niederlage in West Virginia machte er damit fast vergessen; dort war er Clinton mit 26 zu 67 Prozent unterlegen. Wichtiger noch als dieser kurzfristige Effekt dürften die längeren demografischen Vorteile von Edwards' Unterstützung sein. Edwards ist beinahe ein Volksheld unter jener demokratischen Kernwählerschaft, die Obama bislang die kalte Schulter zeigte: weiße Arbeitnehmer mit geringer Bildung und geringem Einkommen.

In einer Vorwahl nach der anderen hatte sich diese Wählergruppierung zu großer Mehrheit der Kandidatin Clinton zugewandt. Ihr verdankte sie ihre wichtigen Siege in Industriestaaten wie Pennsylvania, Ohio oder West Virginia. Edwards könnte helfen, Obamas Defizite auszugleichen. Als Sohn einer Arbeiterfamilie soll Edwards die Wähler der Unter- und Mittelschichten mobilisieren helfen, die bislang in dem intellektuellen Rhetoriker Obama einen weniger glaubwürdigen Repräsentanten ihrer Interessen sehen mögen.

Gemeinsame Sache?

Clintons Wahlkampfchef Terry McAuliffe bemühte sich, die Bedeutung von Edwards' Parteinahme für Obama zu minimieren. "Diese Sache ist noch nicht gelaufen", sagte er. Die Diskussion über ein Ausscheiden seiner Kandidatin wird er aber nicht mehr unterdrücken können. Immerhin eine gute Nachricht für Clinton: In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Instituts Quinnipiac sprachen sich 60 Prozent der Demokraten dafür aus, dass Obama seine Rivalin als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft anwirbt. Für Clinton hätte das ganz praktische Vorteile: Die Residenz des Vizepräsidenten liegt nur wenige hundert Meter von ihrer Villa in der Whitehaven Street entfernt.

Von Peter Wütherich, AFP

Quelle: ntv.de

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