Umstrittener Auftritt in Berlin Obama perfekt inszenieren?
10.07.2008, 09:41 UhrEs wäre die perfekte Kulisse für Barack Obama - das Brandenburger Tor in Berlin. Vor dem Symbol für die Teilung und die Einheit Deutschlands könnte der Präsidentschaftskandidat in gut zwei Wochen erklären, wohin er die USA außenpolitisch steuern will, falls er im November der 44. US-Präsident wird. Der in den USA bei vielen als politischer Messias geltende Demokrat könnte den Europäern Antworten auf die Frage geben, was er - der außenpolitische Nobody - denn anders als Amtsinhaber George W. Bush machen will.
Aber nun könnte ausgerechnet die als große Befürworterin einer starken transatlantischen Partnerschaft geltende Bundeskanzlerin die Rede-Pläne von Obamas Beratern durchkreuzt haben. Über den stellvertretenden Regierungssprecher Thomas Steg ließ Angela Merkel praktisch auf dem Rückflug vom G8-Treffen in Japan mitteilen, dass sie die Rede-Absicht mit "gewissem Befremden" aufgenommen habe. Wahlkampfauftritte im Ausland seien "unüblich", gab Steg die Meinung seiner Chefin wieder. "Kein deutscher Spitzenkandidat käme - weil es nicht als angemessen empfunden wird - auf die Idee, die National Mall (in Washington) oder den Roten Platz (in Moskau) für Kundgebungen zu nutzen."
Gespräch statt Ansprache
Auch dass das Brandenburger Tor in den vergangenen Jahren schon für allerlei Veranstaltungen - von der Präsentation von Spargelköniginnen bis hin zu Lkw-Tests - Kulisse stand, ficht die Kanzlerin nicht an. Politische Veranstaltungen hätten, so Steg, eben immer einen "ganz außergewöhnlichen Charakter" gehabt - einen Anstrich, den sie dem Obama-Auftritt offensichtlich nicht zubilligt. Kurzum: Aus Sicht der Kanzlerin soll es am 24. Juli beim persönlichen Gespräch zwischen Obama und ihr sowie zwischen dem Senator und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bleiben.
Ganz überraschend kam die Einlassung der Kanzlerin nicht. Schon zuvor hatte die Kanzlerin auf die Feststellung Wert gelegt, dass sie bereits seit längerem ein gutes Verhältnis zu Obamas Rivalen, dem Republikaner John McCain, habe. Nur nicht Partei in einem ausländischen Wahlkampf ergreifen, war immer ihre Linie in den vergangenen drei Jahren. Auch im französischen Wahlkampf 2007 achtete sie auf strikte Neutralität und behandelte beide Kandidaten, Nicolas Sarkozy und Sgolne Royal, gleich.
Differenzen im Kabinett
Zu einem Berliner Politikum wurde die geplante Obama-Rede aber dadurch, dass kurz nach Stegs Aussagen Außenamtssprecher Jens Plötner von sich aus das Wort ergriff und verkündete, sein Chef sei ganz anderer Ansicht als die Kanzlerin. Das Brandenburger Tor sei nun einmal auch ein Zeichen der Verbundenheit mit dem amerikanischen Volk. Der Auftritt sei aus Sicht von Außenminister Steinmeier ein Ausdruck der "lebendigen deutsch-amerikanischen Freundschaft".
Solche Differenzen auf offener Bühne unter Ressorts sind selbst in der streiterprobten großen Koalition selten. In der Regierung wurde dennoch angenommen, dass die Meinungsunterschiede diesmal nicht so hochkochen werden wie nach dem Besuch des Dalai Lama bei der Kanzlerin. Nicht auszuschließen ist aber auch ein gewisser parteipolitischer Hintergrund: Die Partnerpartei von Obamas Demokraten ist die SPD, die seines Gegner McCain von den Republikanern die CDU. Letztlich wird sich Obama aber wohl schwertun, gegen das Votum der Kanzlerin in Berlin aufzutreten.
Pikant ist der Fall noch dadurch, dass auch der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit mit von der Partie ist. Merkel und Steinmeier haben zumindest ein sachliches Arbeitsverhältnis. Die Kanzlerin und Wowereit können aber partout nicht miteinander. Kürzlich hatte die Kanzlerin den SPD-Mann verärgert, weil sie sich für das von der CDU unterstützte Volksbegehren gegen die Schließung des Flughafens Tempelhof stark gemacht hatte. Nun hat Wowereit seine Sympathie für den Obama-Auftritt geäußert und erklärt, die allein zuständige Berliner Verwaltung würde diesen in jedem Fall genehmigen. Da mag die Kanzlerin noch so sehr Bedenken haben.
Ulrich Scharlack, dpa
Quelle: ntv.de