Politik

Bombensplitter gefunden Offenbar Terrorakt in Russland

Das schwere Zugunglück im Nordwesten Russlands mit Dutzenden Toten und knapp 100 Verletzten hat nach Angaben des Inlandsgeheimdienstes FSB einen terroristischen Hintergrund. Sicherheitskräfte entdecken am Unglücksort Splitter, die vermutlich von einem Sprengsatz stammen.

Nach vorläufigen Ermittlungsergebnissen habe die Bombe eine Kraft von sieben Kilogramm Sprengstoff gehabt, sagte FSB-Chef Alexander Bortnikow in einem vom Fernsehen übertragenen Gespräch zu Präsident Dmitri Medwedew.

DEN06dxx_RUSSIA-TRAIN-_1128_11.JPG3748076328773757504.jpg

(Foto: REUTERS)

Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen des Verdachts auf einen Terroranschlag ein. Es ist das schwerste Attentat im russischen Kernland seit fünf Jahren. Bislang hat niemand die Verantwortung dafür übernommen. Während der Rettungsarbeiten explodierte an den Gleisen nach Angaben der russischen Staatsbahn ein zweiter Sprengsatz. Verletzt wurde aber niemand. Die vermutlich im Gleisbett versteckte Bombe sei nicht vollständig explodiert. Die Arbeiten konnten fortgesetzt werden, hieß es.

Ähnlichkeiten zu früherem Anschlag

Staatsbahn-Chef Wladimir Jakunin sagte am Unglücksort, der Vorfall weise viele Ähnlichkeiten zu einem Anschlag auf den "Newski Express" auf derselben Strecke im August 2007 auf. Damals wurden 30 Menschen verletzt. Die Polizei nahm danach zwei Männer aus Inguschetien fest und klagte sie wegen Beihilfe an.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ein Komplize des früheren tschetschenischen Rebellenchefs Schamil Bassajew für das Attentat verantwortlich ist. Die tschetschenischen Rebellen kämpfen im Kaukasus für eine Unabhängigkeit ihrer Republik und haben in der Region wiederholt Attentate verübt. In Russland ging seit langem die Angst um, sie könnten auch im Kernland selbst zuschlagen. Zuletzt verübten Extremisten im Jahr 2004 eine Reihe von Selbstmordanschlägen in Moskau.

Auch Ausländer unter Opfern

Präsident Medwedew fordert eine schnelle Bestrafung der Täter.

Präsident Medwedew fordert eine schnelle Bestrafung der Täter.

(Foto: AP)

Der "Newski Express" war am Freitagabend mit 682 Passagieren und 29 Zugbegleitern an Bord auf der Fahrt von Moskau nach St. Petersburg auf freier Strecke entgleist. Nach offiziellen Angaben kamen mindestens 26 Menschen ums Leben. Zuvor war von 39 Menschen die Rede. Nach Angaben der russischen Eisenbahngesellschaft (RJD) sind unter den Todesopfern auch drei Ausländer. In anderen Berichten hieß es, unter den Passagieren seien zwei Finnen und ein Italiener gewesen. Hinweise auf deutsche Reisende gab es nicht. 96 Passagiere wurden verletzt, rund 20 Menschen werden noch vermisst. Zahlreiche Verletzte äußerten scharfe Kritik an den Rettungsarbeiten. Passagiere hätten teilweise mehr als eine Stunde auf Ärzte warten müssen und seien kaum informiert worden.

Auf einer Krisensitzung des Kabinetts sprach Medwedew den Hinterbliebenen der Opfer sein Beileid aus. Er wies seine Minister an, den Opfern die nötige medizinische Versorgung und Entschädigung zukommen zu lassen.

Unterschiedliche Augenzeugenberichte

"Es gibt objektive Hinweise darauf, dass die Explosion eines Sprengsatzes eine Erklärung für den Vorfall ist", sagte Bahn-Chef Jakunin. Die Nachrichtenagentur Interfax meldete, neben dem Gleis sei ein Krater mit einem Durchmesser von einem Meter entdeckt worden. Reporter der Nachrichtenagentur Reuters bestätigten dies nicht. Ein Augenzeuge soll nach Angaben eines Bahnmitarbeiters zudem von einem lauten Knall berichtet haben. Ein anderer Passagier sagte in St. Petersburg dagegen, es habe keine Explosion gegeben.

Das Staatsfernsehen strahlte den Notruf des Lokführers aus, der darin von einer "Explosion unter dem Zug" sprach. Er hatte bei einer Geschwindigkeit von etwa 200 Stundenkilometern noch eine Notbremsung eingeleitet. Die Verbindung zwischen den beiden größten Städten des Landes ist vielbefahren, die Züge sind oft voll besetzt.

Erstes Bekennerschreiben aufgetaucht

Zudem seien Spuren gefunden worden, die bei der Suche nach den Hintermännern helfen könnten, sagte Innenminister Raschid Nurgalijew. Die Behörden hätten ein Täterprofil entworfen und würden auf die Unterstützung der Bevölkerung setzen. Die Ermittler äußerten Zweifel, dass ein im Internet aufgetauchtes Bekennerschreiben einer rechtsradikalen Gruppierung authentisch sei. Eine Sprecherin der russischen Menschenrechtsorganisation Sowa nannte es nicht abwegig, dass die Gruppierung hinter der Tat stecken könnte.

Der Vorfall ereignete sich in der Nähe des Dorfs Uglowka rund 350 Kilometer nördlich von Moskau. Mehrere Waggons sprangen aus den Schienen. Vier der 13 Waggons wurden nach Angaben der Bahn zerstört. Von Umleitungen und Verspätungen waren am Samstag rund 27.000 Fahrgäste betroffen.

Quelle: ntv.de, mli/rts/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen