NATO-Tagung in Sevilla Offensive gegen Taliban
08.02.2007, 13:39 UhrUS-Verteidigungsminister Robert Gates hat eine massive Frühjahrsoffensive der NATO gegen die radikalislamischen Taliban in Afghanistan angekündigt. "2007 ist ein entscheidendes Jahr für Afghanistan", sagte er am Donnerstag im spanischen Sevilla am Rande eines NATO-Verteidigungsministertreffens zu Ankündigungen der Taliban, es stehe eine Offensive mit 2000 Selbstmordattentaten bevor. "Wir waren uns alle einig, dass die Frühjahrsoffensive unsere Offensive sein sollte", sagte Gates.
Forderungen von NATO-Oberkommandeur General Bantz Craddock nach 1.500 bis 2.000 zusätzlichen Soldaten sowie Hubschraubern und Transportflugzeugen fanden nach Angaben von Diplomaten nur wenig Resonanz. Wichtige Bündnispartner wie Deutschland, Frankreich, Italien und das Gastgeberland Spanien machten klar, dass sie keine Erhöhung ihrer Truppenkontingente planen. Dennoch zeigten sich weder Gates noch NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer unzufrieden. "Wir sind besser als ich es noch vor zwei Wochen für möglich hielt", sagte De Hoop Scheffer. "Wir machen Fortschritte. Und wir haben heute noch mehr Angebote bekommen. Aber wir sind noch nicht am Ziel." Näheres wollte er nicht sagen. Die USA und Großbritannien unterstützten dagegen das Verlangen der NATO-Militärführung nach einer Verstärkung der derzeit rund 35.000 Mann starken Afghanistan-Schutztruppe ISAF.
Kein Frust – sondern Lob für Deutschland
Gates bestritt, dass er "frustriert" wegen der Zurückhaltung der Verbündeten sei. "Das Ausmaß ihrer Beiträge ist ganz ungewöhnlich", sagte er. Besonders lobend äußerte er sich über Deutschlands Beteiligung an der von der NATO geführten Afghanistan-Schutztruppe ISAF, die derzeit rund 35.000 Soldaten zählt. Der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung hatte bei dem Treffen den Beschluss der Bundesregierung erläutert, sechs Tornado-Kampfflugzeuge zur Luftaufklärung in ganz Afghanistan bereit zu stellen. "Die Deutschen sind im Norden bedeutsam vertreten und wir schätzen ihr Engagement. Sie leisten einen vollen Beitrag", sagte Gates.
Der US-Minister sagte, der Erfolg der NATO-Frühjahrsoffensive sei von großer Bedeutung: "Jedes Frühjahr sind die Taliban aggressiver geworden. Und jetzt haben wir eine Chance, den Kreislauf der Gewalt ernsthaft zu unterbrechen." Dies sei ein wichtiges Zeichen an die Bevölkerung, dass die Afghanistan-Truppe alles tue, um den Wiederaufbau und die Entwicklung des Landes zu ermöglichen. Gates sagte, die NATO-Verbündeten müssten grundsätzlich in den Staatshaushalten mehr Geld für einsatzfähige Waffen einplanen. Die USA beklagen seit langem die ihrer Ansicht nach zu niedrigen Militärausgaben in vielen NATO-Ländern. "Die Welt braucht eine starke NATO. Und das bedeutet Investitionen und Lastenteilung für alle NATO-Mitglieder."
Nach Worten des NATO-Generalsekretärs bekräftigten die Verteidigungsminister die Notwendigkeit eines "ganzheitlichen Ansatzes" in Afghanistan. Stabilisierung sei nur möglich, wenn das Militär dafür sorge, dass zivile Entwicklung und Wiederaufbau stattfinden könnten. Die NATO beschloss auch, die Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe für Afghanistans Armee zu erhöhen.
Jung sagte, es könne nicht darum gehen, "immer mehr über militärische Mittel zu sprechen, sondern dass wir Sicherheit und Wiederaufbau miteinander verzahnen". Einen Einsatz der gut 20.000 Mann starken schnellen Einsatztruppe der NATO (NRF) in Afghanistan lehnte er ab: "Wir haben die Entscheidung getroffen, dass die NRF für Krisen und Konfliktbeseitigung in Betracht kommt. Und dabei sollten wir, denke ich, auch bleiben." Er widersprach damit seinem dänischen Kollegen Sren Gade, der Einheiten der NRF zur Verstärkung der Afghanistan-Schutztruppe ISAF einsetzen möchte.
Keine Kaffeefahrt. Aber Kampfeinsatz?
In Deutschland entfachte derweil der Regierungsbeschluss zum Einsatz von sechs Tornado-Aufklärungsflugzeugen zur Luftaufklärung in Afghanistan eine Diskussion über die Risiken für die Piloten und den Charakter der Mission. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), sprach von teilweise unkalkulierbaren Gefahren. "Auch diese Mission ist - ebenso wie andere - keine Kaffeefahrt", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Für SPD-Fraktionschef Peter Struck ist die Verlegung der Luftwaffen-Tornados "ein Kampfeinsatz". Jung hatte hingegen gesagt: "Aufklärung ist nicht Kampfeinsatz." Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, hält die Gefahren dagegen für kalkulierbar.
Quelle: ntv.de