USA und Taliban Kopf an Kopf Pakistan-Hilfe als Wettlauf
12.08.2010, 10:25 Uhr
Industrie und Landwirtschaft sind in Punjab praktisch nicht mehr vorhanden.
(Foto: dpa)
Sechs Millionen Menschen brauchen nach der Hochwasserkatastrophe in Pakistan Hilfe. Das Land ist von immenser geostrategischer Bedeutung. Eingerahmt von Afghanistan, Iran, Indien und China ist Pakistan Atommacht und zugleich politisch, wirtschaftlich und sozial instabil. Wer jetzt als Helfer überzeugen kann, hat beste Aussichten auf Erfolg.
Von den schwersten Überschwemmungen seit 80 Jahren in Pakistan sind zwölf Millionen Menschen betroffen. Mehr als 1600 Menschen starben, mehrere Millionen sind obdachlos. Den Kampf gegen die Flut wollen die Vereinten Nationen jetzt mit dem größten Spendenaufruf in ihrer Geschichte unterstützen. Parallel dazu stockten die US-Behörden ihre Nothilfe schon jetzt um weitere 20 Millionen auf 55 Millionen Dollar auf, die EU-Kommission erhöhte ihre Hilfe um zehn Millionen Euro. Pakistanische Islamisten versuchen derweil, die Not im Land für ihre Zwecke zu nutzen.
Während die internationale Hilfe erst anläuft, treten die Islamisten vor Ort als schnelle Helfer auf und wollen dadurch ihren Einfluss im Land ausbauen. Die Taliban fordern die pakistanische Regierung auf, Hilfsgelder aus den USA nicht anzunehmen und stellten ihrerseits Hilfen für die Flutopfer in Höhe von 20 Millionen Dollar in Aussicht – als Ersatz für Entgangenes.
Damit steht die schwache Regierung in Islamabad unter erheblichem Druck. Eine Destabilisierung des fragilen Atomstaates hätte mit Blick auf die Lage im benachbarten Afghanistan oder in Indien unkalkulierbare Folgen: Die internationale Gemeinschaft steht vor einem Wettlauf gegen Flut, Elend und Zerstörung – und vor einem Wettlauf gegen die Taliban. Während die USA das Trägerschiff USS Peleliu mit etwa 19 Hubschraubern an Bord in die Gewässer vor Karachi entsendet, betätigen sich die Taliban und mit ihnen verbundenen Organisationen bereits als Hochwasserhelfer und gewinnen bei der Bevölkerung Sympathien.
Spendenbereitschaft kaum erkennbar
Derweil ist die Spendenbereitschaft der Deutschen für die Flutopfer in Pakistan gering. Der Grund ist das schlechte Image des Landes. Dies ist fast übereinstimmend der Eindruck der großen Hilfsorganisationen. "Die deutschen Spender sind eigentlich äußerst hilfsbereit", schätzt die Welthungerhilfe in Bonn ein. Das sei etwa nach dem Erdbeben in Haiti deutlich zu sehen gewesen. "Aber jetzt ist die Spendenbereitschaft verhalten." Pakistan werde als ein Land mit einer schwierigen politischen Situation wahrgenommen." Das schrecke Spender ab.
Bis zum Mittwoch waren erst knapp 150.000 Euro auf das gemeinsame Spendenkonto der zehn Bündnispartner von "Aktion Deutschland hilft" eingegangen. Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt waren es nach dem Erdbeben in Haiti schon 8,2 Millionen Euro. Dem Bündnis gehören auch die Verbände Care und Help an. Andere Hilfsorganisationen bestätigen die geringe Spendenbereitschaft.
UN mahnen schnelle Hilfe an
Nach Angaben der Vereinten Nationen kosteten die schwersten Überflutungen in der Geschichte Pakistans bislang 1200 Menschen das Leben. Sechs Millionen Flutopfer benötigen demnach dringend Hilfe. Die UN warnten vor einer "zweiten Welle von Toten" bei der Flutkatastrophe und mahnten schnellere Hilfe der Weltgemeinschaft an. In einem Spendenaufruf forderten die Vereinten Nationen bei ihren 192 Mitgliedsstaaten 459 Millionen Dollar (352 Millionen Euro) Soforthilfe an.
Nach Einschätzung der pakistanischen Meteorologiebehörde ist "das Schlimmste noch nicht vorbei". Behördenchef Qamar-u-Zaman Chaudhry sagte in Islamabad: "Die nächsten zehn Tage werden sehr entscheidend sein." Derzeit rolle eine zweite Flutwelle durch die zentralpakistanische Provinz Punjab. Die Fluten ließen den Fluss Chenab anschwellen und könnten trotz aller Schutzmaßnahmen die Millionenmetropole Multan treffen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP