Politik

McCains Diva Palin wirbt vor allem für sich

Nichts in ihrer kurzen politischen Karriere hat Sarah Palin auf das vorbereitet, was nun über sie hereingebrochen ist. Schonungslose Kritik und beißender Spott schlagen über der Kandidatin für die US-Vizepräsidentschaft zusammen. Desaströse Wissenslücken in TV-Interviews, sinkende Umfragewerte, der Wirbel um ihre 150.000-Dollar-Rechnung für neue Kleidung auf Parteikosten: Selbst Vertreter ihrer eigenen Republikaner sprechen der Alaska-Gouverneurin inzwischen die Eignung für das Vizeamt ab und sehen sie als Bremse auf dem Weg ihres Spitzenkandidaten John McCain zur Präsidentschaft. Palin freilich hat bereits die Zeit nach der Wahl im Blick und bringt sich zum Ärger des McCain-Teams für eine eigene Karriere in Stellung.

Sorgen sind Palin nicht anzumerken, als sie am Montag die Rednertribüne im Stadtpark der kleinen Ortschaft Fredericksburg in Virginia betritt. "Ich liebe diesen Ort, er erinnert mich an zuhause", ruft sie auf der Kundgebung im Schlussspurt vor der Wahl. Hinter Palin ragen die Kirchtürme von Fredericksburg in den Himmel, hier im Amerika der Kleinstädte hat die ehemalige Dorfbürgermeisterin ihre treuste Basis. Sie kommt umgehend zur Sache: Der demokratische Kandidat Barack Obama plane "sozialistische Experimente" und wolle durch Steuererhöhungen "harte Arbeit bestrafen", kritisiert sie. Palins Angriffe fallen auf fruchtbaren Boden. Ein Besucher hält ein Plakat hoch, auf dem der Name Obama von Hammer und Sichel eingerahmt wird.

Sarah Palin polarisiert, sie begeistert die einen und schreckt die anderen ab. In der jüngsten Umfrage der "Washington Post" sprachen ihr 58 Prozent die Befähigung für das Präsidentenamt ab. Andererseits ist die quirlige Gouverneurin zumindest an der konservativen Basis zum Star geworden. Mit 44 Jahren ist Palin noch jung, manche Republikaner sehen in ihr eine Zukunftshoffnung - wenn erst einmal die Wahl am kommenden Dienstag vorbei und die befürchtete Niederlage verdaut ist.

In ihrer weiteren Laufbahn kann Palin auf Leute wie die Hausfrau Paula Bush aus Fredericksburg setzen, die mit zwei Freundinnen zur Kundgebung der Kandidatin gekommen ist. "Sie hat feste Wertvortstellungen, für die sie kämpft", sagt Bush. "Sie wird die führende Republikanerin werden." Ihre Freundin Maryan Parker sagt: "Sarah Palin ist so, wie wir uns unsere Töchter wünschen." Virginia Norman findet Palin "dynamischer als McCain". Das Damen-Trio, allesamt Mitte fünfzig, bewundert Palin als Fürsprecherin der kleinen Leute. Der Wirbel der letzten Tage um die Nachricht, dass die Partei etwa 150.000 Dollar für Palins neue Garderobe ausgegeben hat, stört sie nicht. "Das sind widerwärtige Attacken der Linken", urteilt Parker.

In Fredericksburg spielt Palin ihre Stärken aus: Auf der großen Bühne wirkt sie viel sicherer als bei kritischen Interviews in TV-Studios, hier zeigt sie Gespür für die Interesse der Anhänger. Mit Leidenschaft preist sie den Spitzenkandidaten McCain, doch die Menge in Fredericksburg skandiert nicht dessen Namen, sondern immer wieder "Sarah, Sarah!" In den vergangenen Tagen verdichteten sich Hinweise, dass sich Palin dadurch für ihre persönliche Zukunftsplanung ermuntern lässt.

Tatsächlich wurden in McCains Lager Vorwürfe laut, dass Palin längst auf eigene Rechnung unterwegs ist. Mitarbeiter von McCain griffen Palin zuletzt in mehreren Medienberichten anonym an. "Sie ist eine Diva, sie nimmt keinen Rat an", zitiert der Sender CNN einen verärgerten McCain-Berater. "Sie spielt bereits um ihre eigene politische Zukunft und sieht sich als künftige Führerin der Partei." Aus Palins Lager verlautet derweil, McCains Team halte Palin an einer viel zu kurzen Leine. Die Kandidatin wolle sich von der Bevormundung befreien und eigene politische Akzente setzen. Mit Palin ist also noch zu rechnen.

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

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